
Es war schon einmal leichter, jung zu sein und das Leben zu genießen. Die Jugend ist aktuell konfrontiert mit multiplen Krisen, die wie ein Stakkato auf sie einhämmern: Corona-Pandemie, Krieg mitten in Europa, Rezession, steigende Arbeitslosigkeit und eine Teuerung, die sich vor allem bei unteren Einkommensbeziehern, Alleinerziehenden und Mehrkindfamilien frappant auf deren soziales und gesellschaftliches Leben auswirkt. Kein Wunder, dass die psychische Gesundheit der Jugendlichen weiterhin leidet. So zeigt eine aktuelle Studie zur Gesundheit österreichischer Schüler ab der 5. Schulstufe, dass 22 Prozent der Mädchen und 10 Prozent der Burschen Anzeichen einer Depression aufweisen.
Die Politiker haben – unabhängig von der Parteizugehörigkeit - in derart schwierigen Verhältnissen eminent wichtige Funktionen: Leadership bei strategischen Entscheidungen, Erzeugung von Aufbruchsstimmung und Resilienz, Vermittlung von Werten, Schutz sozial schwächerer Gruppen und vieles mehr. Ob ihnen das in Österreich gelungen ist, erscheint nach den Ergebnissen der Jugendstudie „Junge Menschen & Demokratie 2024“ eher fragwürdig.
Im Auftrag des Parlaments wurden in der Zeit vom 25. Oktober bis 22. November 2024 303 junge Leute zwischen 16 und 26 befragt. Die Themen reichten von der Demokratie in Österreich, vom Vertrauen in politische Institutionen, Informationsquellen bis hin zur politischen Bildung in den Schulen, die Ergebnisse sind großteils wenig berauschend für die politischen Entscheidungsträger.
Vertrauensverlust von Bundesregierung und Parlament
So sind zwar 90 Prozent der 16- bis 26jährigen von der Demokratie als bester Staatsform überzeugt, allerdings denken nur 44 Prozent, dass das politische System gut funktioniert. Im Jahr 2018 betrug dieser Wert noch 69 Prozent. Beim Vertrauen in die Institutionen zeigen sich zwei klare Tendenzen: Während die Werte für die Polizei (66 %), die Justiz (61 %) und die Verwaltung (50 %) in den letzten Jahren nahezu unverändert blieben, fielen die Werte für die Bundesregierung und das Parlament fast ins Bodenlose.
Im Jahr 2020 vertrauten noch 51 Prozent in die Bundesregierung, 2024 nur mehr 39 Prozent. Die Werte des Parlaments sanken in dieser Zeit von 56 auf 45 Prozent. Noch bedenklicher sind die Ergebnisse über die Repräsentation: 2024 fühlten sich nur mehr 35 Prozent der Jugendlichen gut im Parlament vertreten, vor den Krisen waren dies noch 64 Prozent (2018). Derzeit denken nur 23 Prozent, dass bei politischen Entscheidungen ihre Interessen berücksichtigt werden. 2018 waren es mit 51 Prozent mehr als doppelt so viele.
Die wichtigsten politischen Themen für die Jugendlichen sind laut Studie die Teuerung und die Leistbarkeit des Lebens (49 %), der Klimawandel (27 %) und die Migration bzw. Integration (18 %). Allerdings denken nur 47 Prozent, dass sie mit eigener politischer Beteilung etwas bewirken können.
70 % der Jugendlichen haben in den letzten fünf Jahren an einer Wahl teilgenommen, jeder Dritte hat in einem Verein, einer NGO oder einer Bürgerinitiative mitgearbeitet bzw. an einer Demonstration teilgenommen. Am Engagement in einer politischen Partei oder einer Interessensvertretung waren nur wenige (14 %) interessiert. Auffällig ist, dass Jugendliche mit geringen finanziellen Ressourcen bzw. geringer formaler Bildung sich seltener an Wahlen beteiligen. Dies gilt analog auch für ältere Personen und hat den negativen Effekt, dass die Politiker bei ihren Wahlprogrammen und Zukunftsplänen die unteren Einkommensbezieher meist sträflich vernachlässigen. Ein weiterer Baustein, der die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter öffnet.
Informationsquellen
Digitale Kompetenz und politische Bildung, das sind zwei Faktoren, die in Zukunft – eigentlich schon jetzt (was leider vernachlässigt wurde) – eine Rolle spielen sollten und je nach Ausprägung bei den Bürgern die Zusammensetzung der Parlamente bestimmen werden. Dies zeigt sich insbesondere bei den Informationsquellen der Jugendlichen. 66 Prozent der jungen Menschen informieren sich über politische Themen bei den sozialen Medien und sind damit ungeschützt Algorithmen, Fake News und Propaganda ausgesetzt. Innerhalb der sozialen Medien führt Instagram (59 %) vor Tik Tok (32 %) und diversen Messenger-Diensten wie Whats App (32 %). Facebook ist bei Jugendlichen nicht mehr hip, hier rasselten die Werte seit 2018 von 41 auf 22 Prozent herab. X bzw. Twitter liegt konstant nur bei rund 14 %.
57 Prozent nützen Zeitungen (print oder online) bzw. andere Internetseiten als Informationsquellen. Das Fernsehen liegt mit steigender Tendenz bei 50 Prozent, Radio und YouTube stagnierend bei jeweils 44 Prozent.
Politische Bildung
Brisant ist hier der Konnex zu den Befragungsergebnissen zur politischen Bildung. So berichten 57 Prozent der jungen Menschen, dass sie in der Schule zuwenig gelernt haben, wie die Qualität von politischen Informationen in den Medien beurteilt werden kann. Hier besteht akuter Handlungsbedarf im Bildungssystem, vor allem unter dem Aspekt, dass vor allem rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien versuchen, Jugendliche mit eigenen Kanälen, alternativen Medien und Propagandaseiten zu ködern, und dies ihnen bei den letzten Wahlen in dieser Zielgruppe auch gelungen ist.
Digitale Grundbildung ist seit dem Schuljahr 2022/23 Pflichtgegenstand in der AHS-Unterstufe und in den Mittelschulen. Ob dieses Fach auf die gegenwärtigen Gefahren und Risiken durch soziale Medien eingeht, sollte schnellstens einer Evaluierung unterzogen werden. Auch die politische Bildung sollte ausgebaut bzw. auf neue Beine gestellt werden. Derzeit gibt es nur in den Berufsschulen ein eigenes Fach, das aber laut dem Demokratiezentrum Wien hauptsächlich auf Arbeits- und Sozialrecht und berufspraktische Erfordernisse abzielt. In den Mittelschulen, Gymnasien und berufsbildenden höheren Schulen wird politische Bildung zumeist in einer Kombination mit Geschichte und Geographie angeboten.
Die jungen Menschen selbst lassen kein gutes Haar an der politischen Bildung. So berichten 58 Prozent, dass sie zu wenig in der Schule gelernt haben, wie man politische Debatten führt. 53 % wurden zuwenig informiert über ihre Rechte als Bürger. Und 41 Prozent wurden zuwenig aufgeklärt, wie Politik in Österreich funktioniert. Geringes Wissen und wenig Selbstbewusstsein in einer immer komplizierter werdenden Gesellschaft machen anfällig für Verschwörungstheorien, rechte Rattenfänger und gefährliche Blender. Wie oft soll sich die Geschichte in Österreich noch wiederholen?