Schluss mit Massenkindhaltung: Personal fordert mehr Geld für Kindergärten!

„Die Elementarbildung stärkt die kognitiven, sprachlichen und akademischen Fähigkeiten von Kindern und trägt zum schulischen, sozialen und beruflichen Erfolg bei. Vor allem bei den unter 3jährigen und bei Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien hängen diese Effekte von der Qualität der Bildungseinrichtung ab“. Das besagt eine international anerkannte Meta-Studie von Melhuish & Co. aus dem Jahre 2015 und lässt eigentlich keine Zweifel offen. Sollte man glauben. In Österreich dürften diese Erkenntnisse noch nicht bei der hiesigen Politik angekommen sein.

 

Budgeterhöhung

 

Gerade einmal 0,7 % des BIP werden in der Alpenrepublik in die Elementarbildung investiert. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 0,9 %, die nordischen Bildungs-Vorzeigeländer weisen allerdings deutlich höhere Werte auf (Norwegen 2 %, Schweden 1,8 %, Dänemark 1,3 %). Das Netzwerk Elementare Bildung (NBÖ), eine Aktionsplattform (die aus zahlreichen Vereinen, Organisationen und Berufsgruppen besteht), fordert als ersten Schritt zumindest finanzielle Mittel in Höhe von 1 % des BIP, listet aber noch zahlreiche weitere Mängel im System der österreichischen Elementarpädagogik auf, die so schnell wie möglich beseitigt werden müssen.

 

Laut Statistik Austria gibt es in Österreich 8600 Kinderbetreuungseinrichtungen (4600 Kindergärten, 2400 Krippen, 1600 altersgemischte Einrichtungen), in denen rund 323.000 Kinder untergebracht sind. Diese unterliegen aber keinem einheitlichen Bundesgesetz, sondern – je nach Bundesland – unterschiedlichen Landesgesetzen und –verordnungen, die teils gewaltige Unterschiede bezüglich Strukturqualität, Ausbildung, Dienstrecht und Entlohnung aufweisen.

 

Dementsprechend variabel sind in den einzelnen Bundesländern auch die Betreuungsverhältnisse und durchschnittlichen Gruppengrößen, die bei unter Dreijährigen von 8 bis 16 bzw. bei älteren Kindern von 17 bis 23 reichen. Wissenschaftliche Studien fordern für die Altersgruppen der Unter-3jährigen eine Maximalgruppengröße von 8 Kindern und für Kinder zwischen 3 und 6 eine Höchstgrenze von 18 Kindern.

 

Pädagogen-Kind-Relation

 

Eine zweite wesentliche Größe der Strukturqualität ist die sogenannte „Pädagogen-Kind-Relation“, das ist jene Arbeitszeit, die die pädagogische Fachkraft unmittelbar in direkter Interaktion mit den Kindern verbringt. Diese sollte bei Kindern bis 3 maximal 1:4 und bei älteren Kindern maximal 1:9 betragen. Werte, die in vielen Kindergärten Österreichs (derzeit) eine Utopie darstellen und daher im Mittelpunkt der zahlreichen Demonstrationen der Elementarpädagogen stehen. Motto: „Schluss mit Massenkindhaltung!“

 

Die Aktivisten fordern weiters die Gewährung von 25 Prozent der Arbeitszeit als Vorbereitungszeit für die Elementarpädagogen. Darunter fallen Zeiten für die pädagogische Planung und Reflexion, Beobachtung, Dokumentation, Teamsitzungen, Elternkooperationen oder Qualitätssicherung. Der zeitliche Umfang dieser Tätigkeiten variiert zumeist nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern auch bei den einzelnen Kinderbetreuungs-Trägern selbst, und sollte daher einheitlich geregelt werden.

 

Tertiäre Ausbildung

 

Kritisiert wird zu Recht auch die Ausbildung der Elementarpädagogen. Diese werden derzeit in fünfjährigen berufsbildenden höheren Schulen mit Matura auf das Berufsleben vorbereitet. „In einer Phase, in der sie sich selbst noch in ihrer mittleren und späteren Adoleszenz befinden“, so das NBÖ in einem aktuellen Folder. Österreich ist eines der letzten Länder Europas, in der es keine akademische Ausbildung für Elementarpädagogen gibt. Obwohl internationale Studien klar darauf hinweisen, dass eine „formale Professionalisierung durch einen tertiären Bildungsweg Kompetenzvorteile bringt“.

 

Regional unterschiedlich ist die Ausbildung für die Assistenzkräfte, die die Elementarpädagogen während des gesamten Tages unterstützen und oft auch als Vertretung die Gruppenführung übernehmen müssen. Seit 2015 wird ein dreijähriger Lehrgang für Assistenzpädagogik angeboten, das Aufgabengebiet inkludiert allerdings keine Verantwortung für pädagogische Entscheidungen.

 

Faire Gehälter

 

Neben der Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Ausbildung müssen auch die Gehälter der Elementarpädagogen angehoben werden. Trotz der Wichtigkeit der frühkindlichen Bildung – zu keinem Zeitpunkt können laut neurowissenschaftlicher Studien Kinder so viel in so kurzer Zeit lernen – werden die Pädagogen und Assistenzkräfte unterdurchschnittlich entlohnt und liegen sogar unter dem Gehaltsniveau der Volksschullehrer. Dieser damit verbundene geringe Respekt der Gesellschaft vor den Leistungen des Personals führt nicht nur zu einer hohen Kündigungsquote, sondern auch zu einer großen Anzahl von ausgebildeten Elementarpädagogen, die nach der Matura nicht ins spezifische Arbeitsleben einsteigen, sondern die Universität besuchen oder in andere Branchen wechseln.

 

 

Kinder sind unsere Zukunft und brauchen die bestmögliche Fürsorge und Bildung bereits in den ersten Jahren ihres Lebens. Eine sofortige Budgeterhöhung auf zumindest 1 Prozent des BIP und eine Attraktivierung des Berufsfeldes der Elementarpädagogen können dabei nur die ersten Schritte sein. Dass diese Reformen nicht ohne jahrelange, bundesweite Proteste und Demonstrationen der Betroffenen in Angriff genommen werden, wirft ein bedenkliches Bild auf die politischen Visionen und Präferenzen Österreichs…