Soziale Rechte in Gefahr: VfGH als Schutzorgan für Mindestsicherungsempfänger!

Die politische Bedeutung des Verfassungsgerichtshofs war nie höher. Das Höchstgericht, das regelmäßig im Gebäude an der Freyung tagt, hat nicht nur die Funktion, die Einhaltung der Verfassung und der Grundrechte zu kontrollieren, sondern dient aktuell auch als Schutzorgan sozialer Rechte für Bedürftige. Traurig und ärgerlich genug, dass diese Aufgabe nicht der aktuelle, mehrheitliche Gesetzgeber übernimmt.

 

In seiner Entscheidung vom 7. März 2018 hat der VfGH die Novelle des von ÖVP und FPÖ beschlossenen NÖ Mindestsicherungsgesetzes aufgehoben, die von mehr als 160 Betroffenen wegen Verfassungswidrigkeit erfolgreich angefochten wurde. 

 

So wurde vom niederösterreichischen Landtag eine 1500 Euro-Mindestsicherungsdeckelung pro Haushalt eingeführt. Betroffen von dieser Einschränkung waren 5186 Personen, davon nur 14,7 Prozent Asylberechtigte (auf die diese Regelung eigentlich abgezielt hatte, um die leider vorhandene Xenophobie im Land zu befriedigen). Leidtragende war u.a. auch eine obdachlose Österreicherin, die in eine Kremser Krisenwohnung gezogen ist und deren Mindestsicherung von 844,46 auf 226,81 Euro gekürzt wurde. Der VfGH machte der asozialen Deckelung einen Strich durch die Rechnung. "Wenn gleich 1500 Euro für bestimmte Haushaltskonstellationen ausreichend sein können, verhindert das NÖ MSG eine einzelfallbezogene und damit sachliche Bedarfsprüfung", so der Wortlaut der Entscheidung.

 

Aufgehoben wurde auch die Wartefrist gemäß § 11a, aufgrund dessen Personen, die sich nicht mindestens 5 der vergangenen 6 Jahre in Österreich aufgehalten haben, die Mindestsicherung auf 522,50 Euro gekürzt wurde. Betroffen davon waren 4323 Personen. Diese Regelung ist laut VfGH sowohl im Hinblick auf Österreicher untereinander als auch auf Asylberechtigte unsachlich und daher verfassungswidrig. Asylberechtigte im speziellen können nicht mit anderen Fremden gleichgestellt werden, denen es frei steht, in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren.

 

Die Rechtsfolgen: Sowohl Deckelung als auch Wartefrist wurden ohne Reparaturfrist aufgehoben und sind nicht mehr anzuwenden. Die "alten" Fälle werden einzeln rückabgewickelt. Eine "Meisterleistung" des niederösterreichischen Landtages.

 

Man kann davon ausgehen, dass der VfGH künftig noch weitere Gesetze auf Bundes- und Landesebene prüfen und bei Verfassungswidrigkeit aufheben muss. Denn die aktuelle Bundesregierung dürfte in ihrer regional-nationalen Beschränktheit auf Verfassungstreue keinen Wert legen. Egal, ob dies die eigene österreichische Verfassung, allgemein gültige Grund- und Freiheitsrechte oder europarechtliche Vorschriften betrifft.

 

Die Anpassung der Familienbeihilfe für im EU-"Ausland" lebende Kinder ist der nächste umstrittene Themenbereich, ebenso das grundrechtlich unverhältnismäßige "Überwachungspaket" oder die Missachtung des europa- und völkerrechtlich normierten Prinzips, dass Asylberechtigte bei öffentlichen Hilfeleistungen gleich zu behandeln sind  wie die eigenen Staatsbürger.

 

Und da sprechen wir "nur" von der Rechtsordnung und nicht von der (un)-menschlichen Komponente, die die Ärmsten der Armen in die Obdachlosigkeit, die Verwahrlosung und die Verzweiflung treibt.