„No One is Innocent“ - Punk Art in der Kunsthalle Wien

Es war eine triste Zeit der Massenarbeitslosigkeit, der fortdauernden Kommerzialisierung und der Grassierung der Konsumgesellschaft, Mitte der 70er - Nährboden für eine neue Jugend- und Kulturströmung, die sich mit anarchistischen Slogans wie „Fuck the System“ und „No Future“ gegen das politische Establishment und gegen die konservative Gesellschaft auflehnte. Man wollte alles sein, nur nicht Teil des Systems, und trat ein für die radikale, wenn auch unpolitische, Freiheit des Individuums, die unterstrichen wurde durch provokant-progressiven „Do it yourself“-Look wie bunte Irokesenfrisuren, Nasenringe, Sicherheitsnadeln oder Nazi-Symbole auf zerrissenen T-Shirts. Manche bezeichnen die Punk-Bewegung als die (neben dem Hip Hop) letzte globale popkulturelle Bewegung, die mehr sein wollte als nur die akustische Möblierung von Teenager-Schlafzimmern. 

 

Die Kunsthalle Wien präsentierte im Museumsquartier während der Sommermonate eine stylisch-ambivalente Mixtur aus Relikten der Punk-Ära - Bilder, Installationen, Soundtapes, Videos, Fan-Zines, Plattencover, Fotografien,.... von Künstlern, Musikern, Philosophen, Ikonen einer auch 30 Jahre danach noch zwiespältig empfundenen Zeitepoche. Die Exhibition steht unter dem Motto „No One is Innocent“, benannt nach einem Song der Sex Pistols, damals die Heroes der Punk-Szene, und beleuchtet dabei vor allem die Punk-Culture in den City-Metropolen New York, London und Berlin, die unterschiedlicher nicht sein konnte.

 

In London brüllten zwar die Sex Pistols mit „Anarchy in the U.K.“ und „God save the Queen“ ihren Frust über Thatcher & Co. durch die Konzerthallen, ihr Chef-Grafiker Jamie Reid schmückte die Queen mit Sicherheitsnadeln durch die Lippen und ahmte Erpresserbriefe nach, indem er Buchstaben verwendete, die er aus Zeitungen ausschnitt. Der Punk war dort aber vor allem auch ein Modephänomen rund um Vivienne Westwood und ihren damaligen Ehemann Malcolm Mc Laren (gleichzeitig auch Manager der Sex Pistols), die in ihrem Fashion-Shop „Sex“ Fetischmasken, S&M-Accessoires und Erotikdessous verkauften. In der Ausstellung auch zu sehen Bilder von Boy George, Marilyn und Visage-Mastermind Steve Strange, die man bereits dem bunt-flippigen „New Wave“-Movement Anfang der 80er zuordnen kann, aber auch ihre Wurzeln in der non-konformistischen Punk-Szene hatten. Radikal feministisch dagegen die Manchester Künstlerin Linder, die das legendäre „Orgasm Addict“-Cover der Buzzcocks konzipierte und bei ihrer „menstrual jewelry“ blutige Tampons verwendete. 

 

Das New Yorker Pendant dazu war Lynda Benglis, die 1974 im Kunstmagazin Artforum eine Anzeige schaltete, in der sie nackt mit einem umgeschnallten Dildo abgebildet war. In Amerika war die Punk-Bewegung wesentlich kunstorientierter und gattungsübergreifender als in England - stilprägende Künstler waren vor allem Robert Longo, Robert Mapplethorpe (der damals mit der „Because the Night“-Sängerin Patti Smith verheiratet war und diese auch nackt ablichtete), Polaroid-Fetischist Mark Morrisroe, Richard „Shadow Man“ Hambleton und David Woynarowicz, der durch die Fotoserie „Arthur Rimbaud in New York“ populär wurde, wo er einem Typen eine Papiermaske des franzöisischen Poeten überstülpte und diesen in verschiedenen Arealen der Großstadtwüste New York fotografierte. Epochal und schockierend auch sein Super 8-Film „Heroin“ - „Requiem for a Dream“ läßt grüßen. 

 

Ich seh deine braunen augen,dein braunes Haar

wie lang und schön,oohhhh

nur noch eine stunde

an deinem munde

und dann musst du gehn.

geh duschen geh duschen

ab in die fabrik

geh duschen geh duschen

wart ich komm mit.

(Geh duschen, Malaria !)

 

Im hinteren Teil der Kunsthalle trifft man auf die Ikonen der Berliner Punk-Szene: Malaria, die schrille New Wave-Frauen-Combo, 2000 mit einem Remix von „Kaltes Klares Wasser“ zu (Dance)-Charts-Ehren gekommen, die Künstler-Community „Die Tödliche Doris“, Martin Kippenberger, die Einstürzenden Neubauten (mit einem alten Stahlschlagzeug) und den Maler Wolfgang Ludwig Cihlarz aka Salome, auch Ex-Frontmann der „Geilen Tiere“ und „Vom Anderen Ufer“-Bar-Freund von David Bowie, damals in der exzessiven Nightlife-Szene Berlins viel unterwegs. „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, you know.

 

London, New York, Berlin - Punk progressiv, ja klar, aber was tat sich in Österreich ? Hausbesetzungen in der Arena und im Autonomen Jugendzentrum Gassergasse, eine New Wave-Band namens Chuzpe mit einem Joy Division-Cover („Love will tear us apart“) in der Ö3-Hitparade und natürlich die exzessive Drahdiwaberl-Hallunication Company rund um Stefan Weber. Zu sehen im 1. Stock der Ausstellung im „Wiener Punkarchiv“, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. 

 

Nicht dabei beispielsweise die Kremser Ex-Punks Hatsch und Zumpf, Söhne bürgerlicher Mittelschichtfamilien und 1989 in der biederen Donaumetropole kurzzeitig auf anarchistischem „No Future“-Trip mit Irokesenschnitt, Patchwork-Look und Schnorrermentalität. „Wir san net auf Wickeln aus. Wir san ja froh, wenn ma in Rua irgendwie an Gspritzten trinken kennan.“ (Wiener, Oktober 1989). Das machen sie jetzt sicher auch, aber im Hugo Boss-Business Look.