
„Everything starts with an E“ oder „E´s are goode, Ebeneezer Goode“, so dröhnte es Anfang der 90er durch die überdimensionalen Boxen der Festivals, Warehouse Parties und Clubs Europas. Eine nicht nur subtile Glorifizierung der Party-Droge Ecstasy, die gemeinsam mit hypnotischen Acid House- und Techno Beats den Kontinent eroberte. Nächtelang durchtanzen im Rausch der Nacht mit weiten Pupillen und einem unwiderstehlichen Lächeln im Gesicht, das Glücksgefühl der Rave Generation.
Im Sommer trafen sich die 24 Hour-Party People auf der balearischen Mittelmeerinsel Ibiza, in den 60ern und 70ern Hippie-Metropole der vor der Regierung Franco geflüchteten Künstler, Exzentriker und Aussteiger, in den 80ern einerseits mondäne Jet Set-Location, andererseits Kreativlabor des „Balearic Beats“ in Clubs a la Pacha und Amnesia, der von britischen DJ´s mit der dortigen Indie-Rave-Kultur infiltriert wurde. In den letzten 35 Jahren hat sich viel verändert auf der Insel: Explodierender Massentourismus (mit bis zu 6 Millionen Besuchern), neue gesetzliche Vorschriften (wie dem Verbot der After Hour-Parties), das Schließen legendärer Clubs (wie dem Space oder dem Bora Bora Beach), das neue, erfolgreiche Konzept der Day-Parties – Stichwort Ushuaia - und die Etablierung einer VIP Culture in den Clubs, die dem der Insel inhärenten Essenz der klassenunabhängigen Gesellschaft komplett widerspricht.
Die „Smiley“-Pills dagegen haben die Party-Insel Ibiza niemals verlassen. Im Gegenteil: Im Vorjahr wurden bei einer Razzia der Guardia Civil rund 1 Million (!) Ecstasy Tabletten sichergestellt, ein neuer Rekordwert in der spanischen Geschichte. Erst dieses Jahr im Mai 2025 reiste ein Niederländer mit zwei Koffern am Flughafen an, inside 163.000 Pills mit einem Verkaufswert bis zu 3 Millionen Euro. "When you have these movements that are driven by music, that are driven by art, that are driven by fashion and drugs are a part of it, whatever you put up, whatever boundaries, whatever laws, I don't think you're going to be able to stop it“, so der Party-Promoter Wayne Anthony in der „Ibiza Narcos“-Drogen-Doku.
Warum vor allem junge Urlauber zu den Party-Drogen greifen, liegt nicht nur an deren euphorisierender Wirkung, sondern auch an den Preisen der alkoholischen Getränke. In den Top-Clubs Ibizas kostet ein kleines Bier 18 Euro, Mineralwasser 15 Euro. MDMA-Tabletten bekommt man auf den Straßen der Playa den Bossa zum Einzel-Schnäppchen-Preis von 10 Euro. Die Vermittler einst und jetzt: Zumeist schwarze Brillen- und Souvenirverkäufer als „Verkaufspersonal“ der florierenden Drogen-Kartelle. Für die Konsumenten nicht ganz ungefährlich. Weniger wegen der Illegalität der Transaktion, sondern wegen des unbekannten Inhalts. Laut Untersuchungen in Berlin sind die Ecstasy-Pillen derzeit sehr hoch dosiert (mit über 250 mg MDA). Es reicht ein Sechstel bis ein Viertel der Pillen völlig aus, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Einige Pillen sind auch mit Amphetamin-Abkömmlingen wie PMA, PMMA oder 4-MTA verunreinigt, bei denen die Wirkung erst verspätet eintritt. Wer hier vorzeitig „nachwirft“, riskiert eine Überhitzung des Körpers, Herzrhythmusstörungen oder einen lebensgefährlichen Kreislaufkollaps.
Erst im Juli 2025 wurde der Todesfall eines 18jährigen Briten publik, der nach der Einnahme einer (unbekannten) Dosierung Ecstasy kollabierte, ins Koma fiel und fünf Tage danach starb. Laut einer Studie waren Drogen die Ursache von 58 Todesfällen in Ibiza zwischen 2010 und 2016. Die Rettungsdienste Ibizas klagen über immer mehr Notfalleinsätze, rund ein Drittel davon betreffen Drogenvorfälle. Sie fordern die Einrichtung von privaten Gesundheitsdiensten der Clubs, die mit ihren Besuchern Millionengewinne lukrieren. Es sei untragbar, dass die Gesundheitsversorgung der 161.000 Einwohner Ibizas aufgrund der Überlastung durch leichtsinnige Touristen leidet. Nur der Techno-Underground-Club DC 10 beschäftigt derzeit eigene Notfalldienste.
Abseits aller Risiken werden aufputschende Drogen, seit jeher Bestandteil des Eskapismus und Hedonismus, aus dem Club Life nicht verschwinden, egal ob in Berlin, London oder Ibiza. Eine legale Freigabe diverser Substanzen erscheint ebenso unrealistisch. Das Maß aller Dinge ist daher eine lückenlose Information der Konsumenten…