Literarischer Szene-Trip: Marco Wanda-Buchpräsentation im Wiener Theater im Park

„Nix, was wir tun wird je zur Legende werden. Leider. Wir san scho froh, wenn wir erst am Ende sterben. Weil wir san. Wir san. Eine Gang und wir halten z'samm.“ Das lässige Lebensgefühl fünf junger Musiker aus Wien, die sich nach Wiens einziger weiblicher Zuhälterin, Wanda Kuchwalek, Spitzname „Wilde Wanda“, benannten. Wild war auch der Aufstieg der 2012 gegründeten Formation zur „vielleicht letzten wichtigen Rock´n Roll-Band unserer Generation“ (Musikexpress 2015). 

 

Alkohol, Drogen, pralle Lebenslust, Erfolgsmanie, Depressionen, Selbstzweifel, Trauer und Tod kennzeichneten die Karriere von Marco Wanda, Manuel Poppe (Gitarre), Reinhold „Ray“ Weber (Bass), Christian Hummer (Keyboard) und Lukas Hasitschka (Drums). Die Ende der Nullerjahre keiner für möglich gehalten hatte. „Wien war nach den 80ern nie wieder eine pulsierende Stadt. Kein Underground bot Heimat oder Trost. Ganz Österreich war eine zwischen Euphorie und Depression wankende Sperrstunde“, so formuliert es Sänger Michael Marco Fitzthum (aka Marco Wanda) in seinem autobiographischen Buch „Dass es überhaupt gegeben hat“ (benannt nach einem Wanda-Song aus dem Debüt-Album). Ein rasanter Trip durch das Leben des 38jährigen Künstlers voller Ups and Downs, der niemanden kalt lässt. Im Rahmen einer Lesetour (die ihn auch nach Deutschland und die Schweiz führt) präsentierte er, ausgestattet mit einer dioptrienverstärkten Brille und entspannenden Zigaretten, erstmals sein Buch im Theater im Park vor rund 1000 Besuchern. 

 

Es ist ein Buch prallgefüllt mit spannenden, witzigen und rauschgeschwängerten Anekdoten aus der Sicht eines Musikers, der der Langeweile und dem Alltagstrott entweichen will und die Vision hat, DIE Band zu gründen. Die Idee dazu entstand gemeinsam mit Manuel Poppe in einem Wiener Cafe, in dem Marco Wanda eigentlich Lokalverbot hatte. Die Lederjacke wurde zur Banduniform, Sneakers waren verboten, und auf keinen Fall mit Rücken zum Publikum stehen. Keyboarder Christian Hummer, ein Musikfan vom Scheitel bis zur Sohle, wurde von einem Jazzmusiker empfohlen, Ray (der im Publikum saß) konnte „Rauchen und Bass spielen gleichzeitig“ und bildete als „ruhiger Beduine“ das Gleichgewicht zu den lauten Scherzbolden Manuel und Christian.

 

„Wir übergaben uns dem Zufall, wir hatten nichts vorzuweisen und nichts zu verlieren“, das Credo der Wanda Boys in den unbeschwerten Anfangsjahren. Mit Stefan Redelsteiner (der in seinen von Falter-Redakteur Gerhard Stöger kompilierten „Problembär“-Memoiren ein großes Kapitel Wanda widmete) fanden die fünf einen umtriebigen Musik-Manager zwischen Raffinesse und Exzess, die ersten Videos (wie „Auseinandergehen ist schwer“, „Bologna“ oder „Meine beiden Schwestern“) stammten von Florian Senekowitsch, dessen ebenerdige Wohnung alle durch das Fenster betraten. Eine geniale Metapher auf den nonchalanten Lebensstil der Wiener Szene Anfang der 10er Jahre. Die vielen eleganten Aphorismen im Buch, das Studium der Sprachkunst kann Marco Wanda keiner abstreiten. Dessen Texte entstanden allerdings weniger konventionell. Auf dem Klodeckel einer mit einer Freundin bezogenen Wohnung in Gersthof („Stehengelassene Weinflaschen“), in Manuels Schlafzimmer nach bekifften Gesprächen über Cousins und Cousinen („Bologna“), nach Ausschreitungen beim Arabischen Frühling („Kairo Downtown“) oder nach einem turbulenten London-Trip mit Christian Hummer in London („Columbo“).

 

Die ersten Schattenseiten des großen Erfolgs von „Amore“ und „Bussi“: Die Wiener Lokale wurden immer polarisierender gegenüber der Band, entweder lästig oder mit Hass erfüllt. So begab sich Marco Wanda nach Paris und genoss dort die Cafes und Bars, einsam sitzend in Gesellschaft einer Flasche bzw. des Barkeepers. Schlecht gewählt war allerdings der Zeitpunkt. In seinem Buch beschreibt er hautnah die persönlichen Eindrücke von den Terroranschlägen in Paris am 13. November 2015, als ein „dumpfes Geräusch“ das fröhliche Treiben plötzlich lahmlegte. „Hätte ich gewusst, dass White Miles im Bataclan spielen, wäre ich hingegangen“ – 89 Menschen fanden dort den Tod. 

 

„Oft fallen im Leben die größten Erfolge mit den größten Niederlagen zusammen“, wieder so ein Zitat Marco Wandas, das bei der Band leider hundertprozentig eingeschlagen ist. „Columbo“ und das dritte Album „Niente“ lagen auf Platz 1 der Charts, die Konzerte der Tour waren komplett ausverkauft. Und Keyboarder Christian Hummer war nicht dabei. Er kämpfte jahrelang um Leben und Tod, im September 2022 starb er an seiner Krebserkrankung. Marco Wanda betäubte diese unerträgliche Situation mit Alkohol und Kokain. „Man trinkt die Bar. Sie ist jetzt in einem, und man nimmt sie überallhin mit. Man denkt, man ist glücklich, und man denkt, man ist angekommen, aber man weiß nicht mehr, wie man glücklich ist“. Laut eigenen Angaben trinkt Marco Wanda jetzt keinen Tropfen mehr. 

 

Im darauffolgenden Interview mit der ORF-Moderatorin Alice Pfitzner warnt der Wanda-Frontman vor einer Spaltung der Gesellschaft. Kritik an einer Partei sei angebracht, man dürfe aber nicht deren Wähler ausschließen. Hass könne eine Katastrophe auslösen, das habe er in Kairo unmittelbar. miterlebt. Sein Buch sieht er als Generationenporträt, mit dem sich die Leser auch identifizieren bzw. Schlussfolgerungen fürs eigene Leben treffen können. Newcomern rät er, „an der Musik zu arbeiten und nicht an dem Image in den sozialen Medien“. 

 

Den Zuhörern hat der Abend im Belvedere-Park jedenfalls gefallen, die Schlange zur Buchsignierung war endlos lang. In welche Richtung sich die Karriere von Marco Wanda bzw. der Band entwickeln wird, das bleibt offen. Eine Lesetour und das Wanda-Weihnachtskonzert am 19. Dezember sind fix, dann erfolgt eine Pause im Jahr 2026. Eines aber ist sicher: „Wenn jemand fragt, wofür du stehst. Sag für Amore“, wird nicht aus dem Gedächtnis der Wanda-Fans verschwinden. Und das garantiert ein Leben lang…