
31,72 Millionen Passagiere verzeichnete der Flughafen Wien im Jahr 2024, ein Rekordwert. Doch nicht immer läuft die Beförderung so ab, wie es sich die Fluggäste vorgestellt haben. Verspätungen, Ausfälle oder Überbuchungen stehen weltweit auf der Tagesordnung. Die sogenannte EU-Fluggastrechte-Verordnung, beschlossen im Jahr 2004, stellt im EU-Raum die Rechtsgrundlage dar, mit der sich Kunden gegen Mängel beim Flugtransport wehren können.
Genauer gesagt gilt sie gemäß Artikel 3 für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines EU-Mitgliedstaats einen Flug antreten bzw. für Passagiere, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines EU-Mitgliedstaats antreten, sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen eine EU-Airline ist. Bei einem Flug von New York nach Wien gilt die Fluggastrechte-Verordnung, wenn die Fluggäste beispielsweise mit der Austrian Airlines fliegen. Die Fluggäste müssen über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und sich spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zum Check-In einfinden.
Nichtbeförderung
Geregelt werden in der Fluggastrechte-Verordnung die Mindestrechte für Fluggäste bei Nichtbeförderung gegen ihren Willen, Annullierung und Verspätung des Flugs. Häufigster Anwendungsfall bei Nichtbeförderung ist die Überbuchung. Jene Fluggäste, die nicht am Flug teilnehmen können, haben dann ein Wahlrecht auf vollständige Rückerstattung des Preises, eine anderweitige Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggasts. Parallel dazu besteht ein unentgeltlicher Anspruch auf Betreuungsleistungen gemäß Artikel 9. Diese umfassen Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit, Hotelunterbringung (falls notwendig) bzw. Kommunikation in Form von zwei Telefongesprächen oder E-Mails. Außerdem besteht ein Anspruch auf Schadenersatz, dessen Höhe sich nach der Entfernung richtet. Dieser pauschale Ausgleichsanspruch beträgt 250 Euro bei Flügen bis 1500 km, 400 Euro bei allen EU-Flügen über mehr als 1500 km bzw. anderen Flügen zwischen 1500 und 3500 km bzw. 600 Euro bei allen übrigen Flügen. Bei einer anderweitigen Beförderung kann dieser Ausgleichsanspruch um 50 Prozent gekürzt werden, sofern die Verspätung nicht mehr als 2, 3 oder 4 Stunden (je nach Entfernung) beträgt.
Annullierung
Wird der Flug annulliert, dann haben die Fluggäste dasselbe Wahlrecht und dieselben Betreuungsleistungen wie bei der Nichtbeförderung. Ein Ausgleichsanspruch besteht allerdings dann nicht, wenn die Fluggäste über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der Abflugzeit unterrichtet wurden bzw. bei späterer Information bei einem Angebot zur anderweitigen Beförderung. Fluggäste haben auch dann keinen Ausgleichsanspruch, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht. Darunter fallen u.a. akute Terrorwarnungen, politische Instabilität, widrige Wetterbedingungen oder Sicherheitsrisiken. Laut der Rechtsprechung des EuGH gelten technische Gebrechen nur in besonderen Fällen als außergewöhnliche Umstände (wie bei Sabotageakten). Die Nachweispflicht liegt beim Luftfahrtunternehmen. In der Praxis berufen sich Fluglinien sowohl bei Annullierungen als auch bei Verspätungen vermehrt auf außergewöhnliche Umstände, die bei den Schlichtungsverfahren vor der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte bzw. vor Gericht individuell geprüft werden. Seit 2021 konnten laut Arbeiterkammer Entschädigungsansprüche in der Höhe von 1,4 Millionen Euro erstritten werden. Dabei handelte es sich um Ansprüche in rund 2000 Fällen, die die Fluglinien freiwillig nicht leisten wollten.
Verspätungen
Die Fluggastrechte bei Verspätungen sind gemäß Artikel 6 abhängig von der Entfernung und der Zeit der Verspätung. So haben die Fluggäste Anspruch auf Betreuungsleistungen bei Verspätungen von 2 Stunden (bei Flügen bis 1500 km), von 3 Stunden (bei EU-Flügen von mehr als 1500 km und anderen Flügen zwischen 1500 und 3500 km) und 4 Stunden (bei allen übrigen Flügen). Beträgt die Verspätung mehr als fünf Stunden, so können die Passagiere vom Vertrag zurücktreten und die vollständige Erstattung der Ticketkosten verlangen. Ein Anspruch auf Entschädigung besteht laut der Verordnung selbst nicht, allerdings hat der Europäische Gerichtshof 2009 im Fall „Sturgeon/Condor und Böck/Air France“ entschieden, dass Verspätungen ab drei Stunden gleich zu behandeln sind wie Annulierungen. Fluggäste haben daher zusätzlich einen Ausgleichsanspruch (ausgenommen bei außergewöhnlichen Umständen), die Dreistunden-Frist bemisst sich dabei nach der Ankunftsverspätung am Zielort.
EU-Verhandlungen
Auf EU-Ebene wird derzeit über eine Änderung der Fluggastrechte-Verordnung verhandelt, die zu Verschlechterungen für die Kunden führen könnte. So sollen laut einem Vorschlag der EU-Kommission Ausgleichsansprüche erst ab fünf, neun bzw. zwölf Stunden Verspätung (je nach Entfernung) geltend gemacht werden können. Da die meisten Verspätungen zwischen zwei und vier Stunden betragen, würden laut der deutschen Verbraucherzentrale 85 Prozent der Reisenden ihren Anspruch auf Entschädigung verlieren. Deutschland, Portugal und Spanien sind vehemente Gegner dieser Reform, im Herbst werden die Verhandlungen fortgesetzt.
Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte
In Österreich können die Fluggastrechte bei der bereits erwähnten Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte eingefordert werden. Es handelt sich dabei um ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren mit dem Ziel einer einvernehmlichen Einigung zwischen Luftfahrtunternehmen und Fluggästen. Bei Nichteinigung (nur rund 3 Prozent im Vorjahr) bleibt weiterhin der Gerichtsweg offen. Im Jahr 2024 wurden laut Jahresbericht 4314 Verfahren eingeleitet, die höchste Zahl seit Bestehen der Stelle. Rund 52 % davon wurden – mit steigender Tendenz - wegen Verspätungen geführt…