Unite In Pride: 29. Wiener Regenbogenparade im Schatten des Grazer Amoklaufs!

Junge Menschen, bunt gekleidet, mit Glitzer und einem Lächeln im Gesicht, eine Regenbogenflagge, einen Fächer oder einen Drink in der Hand, tanzend unter der brütenden Samstag-Nachmittagshitze auf der Wiener Ringstraße zu Pop-, Techno- und Housebeats inmitten vieler Seelenverwandter. So schön kann das Leben sein. 10 Grazer Schüler und Schülerinnen träumten ebenso von einem beautiful life und wären sicher gerne dabeigewesen, sie wurden allerdings bei einem furchtbaren Amoklauf eines 21jährigen Ex-Schülers in ihrer Schule niedergeschossen und getötet. Von einem, der aus welchen Gründen auch immer mit dem Leben abgeschlossen hat und nur mehr mit unvorstellbaren Hassgefühlen erfüllt war.

 

Die 29. Regenbogenparade – die Wiener Version des Christopher Street Day, die seit 1996 unter diesem bezaubernden Etikett stattfindet – wurde in der Woche ihrer Austragung mit dem schwersten Amoklauf der österreichischen Geschichte konfrontiert, die Veranstalter reagierten dementsprechend mit einem schwarzen Banner und der Aufschrift „Unsere Herzen sind in Graz“. Bis zum Parlament spielten die Trucks keine Musik, eine Absage stand nicht zur Debatte. Bei der Regenbogenparade wird zwar getanzt, gefeiert, gelacht, sie ist aber auch eine politische Demonstration für Liebe, Freiheit, Solidarität und gleiche Rechte für alle. „Unite in Pride“, so lautete das Motto der diesjährigen Ausgabe. In einem Jahr, in dem schwule Männer von Homophoben in Österreich verfolgt und niedergeschlagt wurden und im Nachbarland Ungarn die Pride de facto verboten wurde. Aus vermeintlichen Gründen des „Kinderschutzes“.

 

Mehr als 300.000 Menschen setzten mit ihrer Teilnahme ein Zeichen für eine „bessere Welt“, neben Trucks aus der LGBTIQ-Community (wie der HOSI Wien, Libertine oder Löwenherz) und der Clubszene (wie „Das Werk“, „Hausgemacht“ oder „Heimlich“) waren auch viele Firmen und Institutionen vertreten, die die Werte der queeren People unterstützen und die nicht unter dem Vorwurf des „Pink Washing“ stehen, von ÖBB, Post, Visa bis hin zu Magenta und Austrian Airlines. 

 

Welche Forderungen hinter dem Konzept der Wiener Regenbogenparade stehen, das erfährt man nicht nur bei der traditionellen Abschlusskundgebung am Rathausplatz, sondern auch in diversen Positionspapieren: Die Akzeptanz der LGBTIQ-Rechte als Menschenrechte, ein Nationaler Aktionsplan gegen Hass, ein Verbot medizinisch nicht notwendiger Operationen an intergeschlechtlichen Kindern, das Verbot von Konversionstherapien und vor allem ein voller Diskriminierungsschutz für alle.

 

Österreich ist in Sachen Antidiskriminierung nur auf Platz 20 des ILGA-Europe-Rankings. Der Diskriminierungsgrund der sexuellen Orientierung gilt zwar in der Arbeitswelt, nicht aber im Privatleben beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. So kann ein Vermieter ohne Rechtsmittel dagegen die Vergabe von Mietwohnungen an queere Personen verweigern. In der Gastronomie sind zwar die Barkeeper gegen homophobe Angriffe geschützt, nicht dagegen die Gäste, die jederzeit nur wegen ihrer sexuellen Vorlieben aus dem Lokal geschmissen werden können. In einigen Fallkonstellationen hängt skurrilerweise der Diskriminierungsschutz von der verfassungsmäßigen Kompetenzverteilung ab. So sind betroffene Personen aufgrund der weitergehenden Landes-Gleichbehandlungsgesetze geschützt, nicht dagegen auf Bundes-Ebene (wie beispielsweise bei Arzt-Besuchen oder bei Diskriminierungen in Gymnasien).

 

Das sogenannte „Levelling Up“ stand bereits 2010 und 2012 auf der Tagesordnung der damaligen rot-schwarzen Koalition. In letzter Minute wurde es von der ÖVP blockiert. Im aktuellen Regierungsprogramm der Dreier-Koalition steht – trotz genereller Unterstützung durch SPÖ und Neos - keine einzige Zeile über die Erweiterung des Diskriminierungsschutzes für die LGBITQ-Community. Die nächste Regenbogenparade kann bereits geplant werden…