Kremser Donaufestival 2025 (1): Confusion is next!

„Paranoia, Misstrauen, Empörungslust und Desinformationsspiralen“ – So charakterisiert der künstlerische Leiter Thomas Edlinger die aktuelle Weltlage in seinem Programmessay. So viel besser war es aber eigentlich nie, auch nicht in der Zeit des Kalten Krieges in den 80ern, als Sonic Youth ihren Song „Confusion is next“ veröffentlichten. Dieser Track wurde 2025 zum allerdings sehr treffenden Motto der 20. Ausgabe des Kremser Donaufestivals. Altersmäßig bereits dem Teenagerspirit entwachsen präsentiert sich das Avantgarde-Festival in der idyllischen 25.000-Einwohner-UNESCO-Weltkulturerbestadt Krems weiterhin auf der progressiven Überholspur. 

 

Die Locations haben sich nicht verändert: Tagsüber die Minoritenkirche mit ihrem Klangraum (für die Live-Acts), dem Kapitelsaal, dem Forum Frohner und zwei Meeting Points, am Abend der Stadtsaal und die Österreichhallen, die sich – ansonsten während des Jahres kaum genutzt – an zwei Wochenenden in ein düster-hypnotisches Mekka aufgeschlossener Musik-, Kunst- und Performance-Freaks verwandeln. Mehr als die Hälfte der Besucher kommt aus Wien, teilweise mit dem Bus, der nach den Konzerten wieder in die Bundeshauptstadt düst. Die selbst ein derartig spannendes und qualitativ hochwertiges Festival – aus welchen Gründen auch immer – nicht im Repertoire hat. Viele Gäste kommen auch aus dem Ausland, aus Deutschland, Italien, Spanien oder Belgien. Der Kremser Anteil hielt sich wie üblich in Grenzen, die Prioritäten der Einheimischen liegen da eher beim Fußball-Kick des Kremser SC im Sepp Doll-Stadion direkt gegenüber dem Festivalgelände. 

 

El Gran Retorno

 

Insofern sind daher Versuche, die gegenseitigen Schwellenängste zu überwinden, mehr als lobenswert. So geschehen am Samstag des ersten Wochenendes. Da fand unter dem Programmpunkt „El Gran Retorno“ ein Marsch einer Kapelle durch die Kremser Fußgängerzone statt. Das ist angesichts zahlreicher traditioneller Feste in der Kremser Innenstadt noch kein Unikat. Der Unterschied: Die aus Mitgliedern verschiedener regionaler Musikgruppen zusammengesetzte Kapelle war komplett in schwarz gekleidet und bewegte sich ruckwärts unter der Leitung der Performance-Künstlerin Regina Jose Galindo. Eine Aktion, die 2019 in Guatemala uraufgeführt und jetzt in Krems wiederholt wurde. Als Symbol für den weltweiten Rückbau der Demokratie und als Kritik an der Remilitarisierung und der Repatriotisierung. Egal, ob der Background jetzt verstanden wurde oder nicht, eines hatten Einheimische, Touristen und Festivalinsider gemeinsam. Alle zückten sie ihre Smartphones und Kameras, um diesen skurrilen Aufmarsch zu filmen. Auch eine Form von unity.

 

God´s Entertainment

 

Hard Facts über die Donau präsentierte das Wiener Performance-Kollektiv God´s Entertainment mit ihrem Festival-Projekt „Du Du Da Da Na Na Nah“. Einst Anziehungspunkt für Störe aus dem Schwarzen Meer findet man heute in Krems aufgrund der Kraftwerke und der illegalen Fischerei kaum welche mehr. Stattdessen invadieren jährlich rund 440.000 Touristen die österreichische Donau-Landschaft, viele auf Kreuzfahrtschiffen, deren ausländische Beschäftigte aufgrund rechtlicher Tricks mit Hungerlöhnen von 2,50 pro Stunde abgespeist werden. Diese Personenfrachter verbrauchen 1500 l Diesel pro Tag. Täglich gelangen obendrein 4,2 Tonnen Plastikabfälle über die Donau ins Schwarze Meer, die Abfälle stammen großteils aus industriellen Quellen entlang des Flusslaufs. Klangtechnisch sichtbar gemacht werden diese wissenschaftlichen Daten durch Trommelschläge auf blaue Metallfässer, die „standardisierten Behälter einer globalisierten Logistik“. Die Klopfgeräusche beim Stör sind kaum mehr eruierbar. God´s Entertainment standen aber auch in direktem Kontakt mit den Festivalbesuchern, in Form eines Land-Tretbootes, das sich alle 20 Minuten mit einer Handvoll Leuten Richtung Stadtpark und zurück bewegte und per Earphones Migrations- und Handelsfragen thematisierte.

 

Schwester Courage

 

Im Kesselhaus-Kino wurde der Doku-Film „Schwester Courage“ des Berliner Kollektivs Zugang gezeigt, der mit Live-Mitschnitten und Interviews die Corona-Demos in den Mittelpunkt stellte. Die Confusion liegt hier auf der Hand: Linke, die gegen Covid-Zwangsmaßnahmen und Impfzwang demonstrieren und dann von einer  Gegendemo mit Sprüchen wie „Ihr marschiert mit Nazis“ niederskandiert werden. „Krankenhäuser statt Fabriken“, eine weitere Parole der Kapitalismuskritiker, die sich dabei als Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen verkleiden und sich vor dem Haus der Gesundheit in Hellersdorf platzieren. Einem ehemaligen Ärztezentrum, das bereits seit mehr als einem Jahrzehnt geschlossen ist…