Es war eine lässige, unbeschwerte Zeit Ende der 90er, als knackige Italo-Dance-Tracks (ähnlich dem Hype in den 80ern) die europäischen Großstadtdiskotheken dominierten. „Freed from desire“ von der faszinierenden Gala (die heute in New York lebt und mit einem Diplo-Remix wieder in den Charts residiert), Preziosos „Tell me why“, Eiffel 65 mit den „Blue“-Weltraummännchen oder eben der aus Turin stammende Luigino Celestino Di Agostino aka Gigi d´Agostino, der in den Nineties als Club-Resident-DJ (u.a. im „La Palace“ und im „Paladio“) fungierte und erste Tracks im „Mediterrean Progressive“-Style veröffentlichte.
Den Durchbruch schaffte er allerdings erst, als er seine treibenden Rhythmen mit romantischen Vocals und Melodien verknüpfte. „L´Amour Toujours“ (dt. „Liebe für immer“) eben, wie der euphorische Titel seines Albums aus dem Jahre 1999. Die Hits daraus: „Bla Bla Bla“ (incl. Stretch – „Why did you do it“-Sample und Strichmännchen-Video), das Nik Kershaw-Cover „The Riddle“, „La Passion“ (mit dem „Rectangle“-Sample des französischen Musikers Jacno), im Oktober 2000 Platz 1 in den österreichischen Single-Charts, „Another Way“ und natürlich der Titel-Track selbst, der durch ausländerfeindliche Schlachtgesänge im Sylter Upper-Class-Milieu („Deutschland den Deutschen, Ausländer Raus!“) in negative Schlagzeilen geriet und bei einigen Volksfesten und Sport-Events (unverhältnismäßig) verboten wurde.
Ungeachtet dessen erlebt Gigi d´Agostino gerade seinen zweiten Frühling. Erschütternd die von ihm in den sozialen Medien vor rund zwei Jahren veröffentlichten Bilder, die einen durch eine schwere Krankheit gezeichneten Menschen mit Rollator zeigten. Die Genesungswünsche seiner zahlreichen Fans allerdings fruchteten, und der italienische Kult-DJ ist wieder voll im Geschäft. Mit neuen Produktionen in Kooperation mit dem italienischen DJ Luca Noise („Sound of Love“) und einer gigantischen Live-Show in Konzerthallen und Arenen. Das legendäre San Remo-Festival war der Startschuss für sein fulminantes Comeback, dann folgten u.a. Rock in Roma, Rimini Beach Arena und die Stadthalle Graz. Allesamt mit dem Prädikat: Sold Out.
Auch für seinen Gig in der Wiener Stadthalle am 2. November konnte man in den letzten Wochen nur mehr zurückgehaltene Sonder-Tickets erwerben, die Stimmung war bereits lange vor dem Beginn um 21 Uhr auf dem Siedepunkt. Mit einem lässigen „Buona sera“ und einem strangen Remix von Mozarts „Die Zauberflöte“ startet Il Capitano vom DJ-Pult aus seinen zweistündigen Hit-Reigen. Modisch ausgestattet mit weißem Bart und traditioneller Kapitänsmütze, visuell platziert zwischen bombastischen Light-Effects und Pyro-Fontänen. Über dem Kult-DJ schweben Gigi-Dag-Herzen, im Publikum werden knallbunte Leuchtstäbe geschwenkt, Riesenballons werden in die Stehplatz-Arena katapultiert, während Gigi mit umgehängten Kopfhörern und einer schrillen Mixtur aus Kirmes-Techno, Italo Hardstyle und aufgepitchen Cover-Classics (a la „Sara Perche ti Amo“, „Hard to say I´m sorry oder „Moonlight Shadow“) die Masse zum Toben bringt.
Auf der Setlist standen natürlich auch EDM-Festival-Hits (wie Supermodes „Tell me why“, Bennetts chorbasiertes „Vois Sur Ton Chemin“, Tiestos Dido-Remix von „Thank you“ oder Charlotte de Witte´s Remix der Creeds-Techno-Hymne „Push Up“) und Gigi´s Eigenproduktionen und Remixe aus fast 30 Jahren Italo Dance-Karriere. Das Motto: Hedonismus und Party bis zum Abwinken statt Weltverbesserung und Depression, die Alltagssorgen einfach vergessen, diese warten ohnehin gnadenlos außerhalb der mit 15.000 Besuchern prall gefüllten Wiener Stadthalle. „L´Amour toujours“ lief übrigens zweimal diesen Abend, und das ohne rechtsextreme Störungsgeräusche.