Starke Zunahme von psychischen Erkrankungen: Behandlung muss kostenfrei werden!

Corona-Pandemie, Inflationskrise, berufliche und private Ängste, Reizüberflutung durch die sozialen Medien,…  -  Die Belastungen für die Menschen haben in den letzten Jahren immens zugenommen. Dies zeigt sich (leider) am besten beim Anstieg der psychischen Probleme. Rund 900.000 Menschen haben laut Sozialversicherung im letzten Jahr das Gesundheitssystem wegen psychischer Erkrankungen in Anspruch genommen, ein Zuwachs von 12 Prozent innerhalb von drei Jahren. Um vieles größer ist die Dunkelziffer an unbehandelten, psychisch Kranken in Österreich.

 

Laut einer Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2022 bezeichneten sich 20 Prozent als psychisch krank. Am stärksten betroffen sind dabei Frauen mit Mehrfachbelastungen, Kinder und Jugendliche bzw. Singles. 40 Prozent der Betroffenen lehnen professionelle Hilfe gänzlich ab, in der Altersgruppe bis 35 Jahren sogar 47 Prozent. Hauptgründe sind – neben der persönlichen Meinung, keine Hilfe zu brauchen – die hohen Kosten einer Therapie und die geringen Kassenzuschüsse. Nur 30 Prozent der Befragten sind mit der Behandlung psychisch Kranker in Österreich zufrieden. Einige Reformen wurden jetzt zwar auf Schiene gebracht. Ob diese allerdings zu einer raschen Verbesserung der Lage führen, ist mehr als fraglich.

 

Die klinisch-psychologische Behandlung wurde kürzlich mit der Psychotherapie gleichgestellt. Seit 2024 ist sie gesetzlich als Kassenleistung verankert. Das heißt aber weiterhin nicht, dass damit eine Gesamtversorgung gesichert ist. Der Bund finanziert die Behandlungen im ersten Jahr mit 50 Millionen Euro, im zweiten Jahr mit 25 Millionen Euro. Danach soll eine Evaluierung stattfinden. Details über Kostenbeteiligungen der Patienten oder Kontingentierungen sind bis dato nicht bekannt bzw. werden erst verhandelt.

 

In der Psychotherapie hat die Regierung jetzt wichtige Akzente für die Zukunft gesetzt. Ab 2026 werden die Psychotherapeuten an öffentlichen Unis ausgebildet. Ein immenser finanzieller Vorteil. Denn derzeit absolvieren die Aspiranten ihr zweijähriges Propädeutikum an teuren Privatunis (mit Kosten zwischen 25.000 und 50.000 Euro). Voraussetzung für das künftige Masterstudium ist wie bisher ein fachlich einschlägiges Studium wie Psychologie oder Medizin, danach erfolgen eine Fachausbildung und die staatliche Appropationsprüfung. 

 

Das ändert allerdings (vorerst) nichts daran, dass die Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung für viele unleistbar sind. Es gibt derzeit nur wenige vollfinanzierte Psychotherapieplätze bei Kassenvertragspartnern, und dort sind die Wartezeiten extrem lang. Eine Psychotherapie-Sitzung kostet beispielsweise in Wien zwischen 60 und 160 Euro, der gewährte Kostenzuschuss für Patienten (!) gerade einmal 33,70 Euro bei der ÖGK.

 

Es stellt schon eine starke Überwindung dar, wegen psychischer Probleme zu einem Arzt zu gehen. Wenn dazu noch massive Kosten auf den psychisch Kranken zukommen, dann werden wie bisher viele den Weg zum Psychologen oder Psychotherapeuten scheuen. Die Forderung nach einer vollständigen Psychotherapie auf Krankenschein ist daher auch ein klares Zeichen gegen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Der Zugang zu einer kostenfreien Behandlung von Depressionen, Burn-Outs oder Angststörungen muss jedem Betroffenen offenstehen, und zwar egal, wie viel Geld auf seinem Bankkonto liegt.