Ortskerne und Böden in Not: Shopping Center innerhalb von 20 Jahren verdoppelt!

Krapfen und Donuts essen wohl die meisten gerne. Betrachtet man die beiden Süßwaren allerdings als Symbole für die Verbauung Österreichs, dann vergeht einem zumindest bei den Donuts der Appetit. Der WWF bezeichnet in seinem Bodenreport 2021 die Verbauung der Ortsränder als „Donut-Effekt“. Ein wirklich treffender Vergleich. Statt einer attraktiven Füllung in der Mitte (wie bei den Krapfen) „gleichen Ortschaften in Österreich zunehmend Donuts, außen ein Ring, in der Mitte ein großes Loch“.

 

Die Ortskerne sterben immer mehr aus: Wirtshäuser, Greissler und Vereinslokale schließen, größere Gastronomen und Unternehmer verlegen ihre Betriebe an den Stadtrand, die Straßen und Gassen im Zentrum sind menschenleer, die Kommunikation der Stadt- und Dorfbewohner untereinander geht verloren. Und damit auch die Lebensfreude und der Spirit.

 

244 Shopping Center

 

An der Peripherie dagegen boomen die Shopping Center. Laut dem aktuellen SC-Report gibt es in Österreich 244 Shopping Center mit über 8700 Shops. Die vermietbare Fläche beträgt rund 4,2 Millionen (!) m2, davon 3,4 Millionen für den Handel. Im Europavergleich liegt Österreich mit 1,6 Quadratmeter Einkaufsfläche pro Kopf im europäischen Spitzenfeld, seit dem Jahr 2000 haben sich die Shopping Malls, Fachmärkte und Outlet Center mehr als verdoppelt. Der Hauptgrund für die weiterhin steigende Zersiedelung und Bodenversiegelung Österreichs. 

 

Ein Ende dieser Tendenz ist trotz der immens negativen Auswirkungen auf das Klima, die Tier- und Pflanzenwelt und das Ortsleben nicht abzusehen. Obwohl im aktuellen türkis-grünen (!) Regierungsprogramm ein Zielwert von 9 km2 Bodenverbrauch jährlich festgelegt wurde, betrug alleine der Wert für Betriebsflächen im Jahr 2021 11 km2. 

 

Ein Drittel CO2-Emissionen durch den Verkehr

 

Damit in Verbindung stehen die weiterhin hohen Werte für den Straßenbau (2021: 4,4 km2). Shopping Center an der Peripherie werden großteils mit Privat-Autos angesteuert, die für die Umwelt horrible Kettenreaktion bleibt nicht aus. So war der Sektor Verkehr laut dem Klimaschutzbericht 2020 für rund ein Drittel (!) der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, der Straßenverkehr hatte 2019 mit 2,65 Tonnen CO2 die zweithöchsten Pro-Kopf -Emissionen der EU. 

 

Die wissenschaftlichen Fakten liegen auf der Hand, ebenso ein Konglomerat an Lösungsvorschlägen. Wer nicht reagiert, sondern sich von den Wirtschaftskonzernen und den einschlägigen Interessensvertretungen leiten lässt und falsche Prioritäten setzt, das sind die zuständigen Politiker auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. 

 

Umweltverträglichkeitsprüfung

 

Klimaschützer fordern eine Herabsetzung der Schwellenwerte für die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Während in Deutschland eine UVP für Einkaufszentren ab 0,5 Hektar verpflichtend ist, in der Schweiz ab 0,75 Hektar, liegt der Schwellenwert in Österreich aktuell bei 10 (!) Hektar bzw. bei 1000 PKW-Parkplätzen. 

 

Über 40.000 Hektar Leerstand

 

Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes verfügt Österreich über mindestens 40.000 Hektar Leerstand und Industriebrache. Dies entspricht der Fläche von Wien (414,6 km2). Anstatt eine bundesweite Leerstands-Datenbank einzurichten und diese Areale zu nützen wird neuer Boden versiegelt. Laut den Raumordnungsberichten wird obendrein ein Viertel des gewidmeten Baulandes nicht entsprechend der Widmung genutzt.

 

Interkommunaler Finanzausgleich

 

Viele Gemeinden freuen sich über die Errichtung von Shopping Centern auf ihrem Hoheitsgebiet, da die Kommunalsteuer direkt in das Gemeindebudget fließt und durchschnittlich ca. 11 Prozent des Gemeindebudgets ausmacht. Die Leidtragenden sind die Nachbargemeinden, deren Ortskerne aussterben und die von zusätzlichem PKW- und LKW-Verkehr geplagt werden. Eine alternative Lösung wäre laut WWF die Verpflichtung zu einem interkommunalen Finanzausgleich, im Rahmen dessen Gemeinden Standortentscheidungen gemeinsam verhandeln und die Einnahmen aus der Kommunalsteuer teilen.

 

Back to the City

 

Und natürlich muss eine österreichweite „Back to the City“-Strategie entwickelt werden, um den Wildwuchs an Shopping Centern an der Peripherie zu beenden und die Menschen wieder in die Ortskerne zu locken. Mit regionalen Angeboten, wichtigen Versorgungsbetrieben (für Kinder, Schüler, Familien, Pensionisten,…), der Verbesserung des öffentlichen Verkehrs, spannenden Events, Erdgeschoßzonen, verdichtetem Bauen und einem attraktiven, konsumfreien öffentlichen Raum, der zu Fuß und mit dem Rad erreichbar ist. Die Verwendung eines Autos zwecks täglichen Einkaufs und Shoppings soll die Ausnahme und nicht die Regel sein…