"Enjoy the Moment": Placebo mit "phone-free experience" in der Wiener Stadthalle!

„Never let me go“ heißt das neunte Album der Londoner Indie-Rock-Band Placebo, das am 25. März 2022 – 9 Jahre nach ihrem letzten Album „Loud like Love“ - in Berlin präsentiert wurde. Das Release-Konzert stand unter dem Motto „phone free-experience“. Smartphones und Kameras durften nicht mit in den Konzertsaal genommen werden. Einen ähnlichen, etwas weniger restriktiven Weg versuchte man in der Wiener Stadthalle. Die Band bat die Fans per Einblendungen vor der Show, weder zu filmen noch Photos zu schießen. „It makes Placebo´s performance so much more difficult. More difficult to connect with you and to communicate effectively the emotions of the songs…. Please be here and now in the present and enjoy the moment. Because this exact moment will never ever happen again.“, so die Band im Originaltext.

 

Das wurde von den rund 6000 Fans auch großteils eingehalten. Dass bei vereinzelten Konzert-Erinnerungsfotos Ordner der Wiener Stadthalle während der Show einschritten und mit grimmiger Miene den „Handy-Sheriff“ spielten, geht aber eindeutig zu weit. Diese Verhältnismäßigkeit scheint eine besondere Wiener Melange zu sein. Stichwort: FFP2-Maskenkontrollen in den Wiener U-Bahnen, im Rahmen der sogar Schulkinder mit einem Bußgeld von 50 Euro bestraft wurden.

 

Placebo, aktuell bestehend aus den Gründungsmitgliedern Brian Molko und Gitarrist Stefan Olsdal, gehen mit dem smartphone-freien Raum durchaus einen konsistenten Weg. Sie gelten auch aus Kritiker der Instagram-Mania und weigern sich, ihr Privatleben im Internet zu teilen. „Wir sind Musiker und Kreative. Und wir entscheiden, was von uns in die Öffentlichkeit geht“, so Molko in einem Interview. Einer der neuen Singles, das leicht an Depeche Mode angehauchte „Surrounded by Spies“, ist eine klare Message gegen den Überwachungsstaat, der nicht nur in deren Heimatort London immer mehr grassiert.

 

Im Mittelpunkt der von grellen Live-Visuals untermalten Show steht das neue Album der seit 1994 bestehenden Band, die sich – als Reaktion auf die vielen Artists mit „Drogen“-Trademarks – kongenial nach den Placebo-„Scheindrogen“ benannt hat. Alte Tracks wurden nur dann in die Setlist aufgenommen, wenn sie ins Konzept passen. Da sickert etwas die Attitüde David Bowies durch, der bei seinen Konzerten auch gerne die Mainstream-Hits gestrichen hat. Jener David Bowie, der Placebo 1996 – noch vor Erscheinen des ersten Albums – mit auf Tour genommen hat und als Mäzen Brian Molkos gilt. Super-Hits – die neben den brandneuen Highlights „Beautiful James“, „Happy Birthday in the Sky“, der lässigen Umwelt-Hymne „Try Better next Time“ oder „Fix Yourself“ – die Selektionen überstanden, waren u.a. „Too many Friends“ (2013), „For what it´s worth“ (2009), „Song to say Goodbye“ (2006“) und das großartige „The Bitter End“ (2003). Erstmals im Programm eine Coverversion des Tears for Fears-Hits „Shout“, bereits Standard das düstere Finale mit dem Kate Bush-Cover „Running up that Hill“.

 

Draußen nach dem rund 90minütigen Gig wieder im Märzpark vor der Stadthalle erschallt aus einer billigen Sound-Anlage „Every You, Every Me“. Der Soundtrack-Hit aus der bittersüßen „Gefährliche Liebschaften“-Teenie-Adaption „Eiskalte Engel“. Intrigen, Leidenschaft, Lebenslust, dunkle Sonnenbrillen und der unentrinnbare Absturz der New Yorker Rich Kids. Dieses Indie Anthem hätten sich - bei aller Art-Etikette – die Konzert-Besucher verdient. Wozu Placebos, wenn man echte (musikalische) Drogen auf Vorrat hat?