Sex, Drinks & Techno-Beats: Nachts auf der Reeperbahn!

„Hast du Lust auf mich“, „Was machst du sonst heut noch“, das sind noch die harmlosesten Anmach-Sprüche der Reeperbahn-Prostuierten, die in der dunklen Nacht auf der Suche nach (zahlenden) Männern sind und auch vor direktem Körperkontakt nicht zurückschrecken. So frei nach dem Motto „What happens in St. Pauli stays in St. Pauli“ werden sich manche diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, trotz oftmaliger Warnungen vor Betrügereien und organisierter Abzocke.

 

Sex on the Streets

 

„Auf der Reeperbahn nachts um halb eins. Ob du'n Mädel hast oder ob kein's. Amüsierst du dich. Denn das findet sich“ ist der kongeniale Schlager der sündigsten Meile Deutschlands. Gesungen vom Schauspieler und Sänger Hans Albers, der seit den 40ern mit seinen Filmen „Große Freiheit Nr. 7“ (1944), „Auf der Reeperbahn“ (1954) und „Das Herz von St. Pauli“ zu den Legenden der Hafenstadt Hamburg zählt. Der bekannte deutsche Maler, Bildhauer und Aktionskünstler Jörg Immendorff hat dem 1960 gestorbenen Albers eine drei Meter große bronzene Statue gewidmet, die neben zahlreichen einschlägigen Grafiken auf dem Rumpf den „blonden Hans“ mit Schifferklavier und Matrosenmütze zeigt. Nach Streitigkeiten mit dem Hamburger Senat thront seit 1999 eine Kopie der Albers-Statue auf dem gleichnamigen Hans Albers-Platz und überwacht mit subtilem Lächeln das lüsterne Treiben der frei inmitten von partysüchtigen Teenagern, rauschigen Männerrunden und „geschützten“ Pärchen herumflanierenden Rotlicht-Girls. 

 

Anders in der berüchtigten Herbertstraße: Dort haben Frauen und Kinder keinen Zugang, die Straße selbst ist durch einen Zaun komplett abgedeckt und einen kleinen Seiteneingang erreichbar. Die Prostituierten sitzen dort, spärlich bekleidet, in den Auslagen der rot schimmernden Sex-Etablissements, und animieren mit ihren Reizen die auf ein schnelles Abenteuer motivierten Männer. Die Corona-Ebbe in der Hamburger Sexszene war schlimm genug.

 

Party-Time

 

Ca. 930 Meter lang ist die zwischen dem Millerntor und dem Nobistor (in Altona) gelegene Hamburger Reeperbahn, der Name basiert auf der Bezeichnung der „Reepschläger“, die für die Herstellung von Schiffstauen eine lange, gerade Straße benötigten. Die Hamburger nennen sie liebevoll „Kiez“, und tatsächlich ist die „sündigste Meile der Welt“ (mit ihren zahlreichen Nebenstraßen wie der „Großen Freiheit“, dem Hamburger Berg und dem Hans Albers-Platz) nicht nur ein Epizentrum der Rotlichtszene, sondern auch ein schrilles Vergnügungsviertel, bei dem sich die Party-Generation (egal welchen Alters) bis zum Morgengrauen und zur Eröffnung des nahegelegenen Fischmarktes austoben kann.

 

Zahlreiche Kneipen und Bars buhlen auf der Reeperbahn mit Low Budget-Aktionen um trinkfestes und ausgabefreudiges Publikum, als Specialangebote winken Men und Lady-Strips für exzessive Vereinsausflüge und Polterabende. Der letzte Tag in Freiheit auf der Großen Freiheit. Anspruchsvollere Erotik- und Table Dance-Shows bietet das legendäre Dollhouse. Zu den bekanntesten Kneipen St. Paulis zählt die in einem Hinterhof versteckte „Ritze“, deren Eingangstür mit zwei gespreizten Frauenbeinen und High Heels bemalt wurde. Im Keller des Lokals befindet sich ein Boxraum, der nicht nur von Zuhältern, sondern auch von Promis wie Henry Maske, den Klitschko-Brüdern oder Ben Becker benützt wurde. 

 

Udo Lindenberg

 

Stammgast der „Ritze“ war einst auch Udo Lindenberg, der der Reeperbahn 1989 einen eigenen Song gewidmet hat: „Reeperbahn - ich komm an. Du geile Meile, auf die ich kann. Reeperbahn - alles klar. Du alte Gangsterbraut, jetzt bin ich wieder da.“ Der 1946 geborene Rocksänger mit Superhits wie „Sonderzug nach Pankow“, „Ich lieb dich überhaupt nicht mehr“ oder „Ein Herz kann man nicht reparieren“ wohnt seit 1968 großteils in Hamburg und eröffnete im März 2018 eine interaktive Dauerausstellung über sein Leben. Die „Panik City“ logiert auf dem Spielbudenplatz nahe der Reeperbahn, nur ein paar Meter entfernt von der Davidwache, der kleinsten Polizeiwache Europas, deren Einzugsbereich nicht einmal einen Quadratkilometer umfasst.

 

Musical-Hochburg

 

Auf dem lange vernachlässigten Spielbudenplatz befindet sich auch das Operettenhaus Hamburg, das seit 1986 die Musical-Fans ins Reeperbahn-Areal lockt. Zahlreiche Deutschland-Premieren (wie Cats, Mamma Mia, Sister Act oder Kinky Boots), Weltpremieren (wie das Udo Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“) oder das auf Udo Lindenberg-Songs basierende Musical „Hinterm Horizont“ sorgen dort für volle Säle. Aktuell läuft im Operettenhaus die Deutschland-Premiere des Tina Turner-Musicals „Tina“.

Club Zone

 

Laut der Clubstudie 2021 der Initiative Musik hat Hamburg nach München und vor Köln und Berlin die zweithöchste Musikspielstätten-Dichte Deutschlands. Einen großen Anteil trägt hier die Clubszene Reeperbahn. Indie-Sound läuft seit 2014 im westlich gelegenen Molotow (und dessen Hinterhof-Location „Backyard“). Unter den hypermodernen „Tanzenden Türmen“ am östlichen Eingangsbereich der Reeperbahn lädt der neueröffnete Mojo Club zu urbanen Hip Hop- und House-Nights. Im Docks am Spielbudenplatz residieren nicht nur Rock- und Popbands, sondern auch Kult-DJ´s wie Marusha, Dune oder Mauro Picotto im Rahmen von Rave-Retro-Celebrations.

 

Uebel & Gefährlich

 

Der wohl beeindruckendste Club Hamburgs liegt etwas außerhalb der Reeperbahn auf dem Heiligengeistfeld. Das vom Journalisten und Roman-Autor Tino Hanekamp („So was von da“) 2011 mitbegründete „Uebel & Gefährlich“ im  Flakturm IV, der nach dem Zweiten Weltkrieg im Gegensatz zu anderen Hochbunkern nicht gesprengt wurde und unter Denkmalschutz steht. Während derzeit auf dem Flakturm eine Gartenpyramide platziert wird und die Fassaden begrünt werden, bietet der Große Ballsaal im Inneren des Bunkers einen innovativen Programm-Mix aus Live-Konzerten und Techno-Parties. Nicht ohne Grund wurde das Uebel & Gefährlich 2011, 2015 und 2019 mit dem Hamburger Club Award als „Musikclub des Jahres“ ausgezeichnet. If you are in Hamburg, don´t miss it!