„In the Year of the Metal Ox“: Comeback des Kremser Donaufestivals nach 2,5 Jahren Pause!

„Krems hat, was Wien fehlt. Ein international renommiertes Festival im Zeichen der Popavantgarde“. So und nicht anders rühmte die Wiener Stadtzeitung Falter das Kremser Donaufestival, das – nach der corona-bedingten kompletten Absage 2020 – im Jahr 2021 auf die ersten beiden Oktoberwochenenden verschoben wurde. 

 

Das erste Donaufestival in dieser progressiv-experimentellen Art und Weise fand 2005 unter der Leitung von Tomas Zierhofer-Kin statt, seit 2017 ist der Kulturjournalist und FM4-Ö1-Radiomacher Thomas Edlinger verantwortlich für das Programm. 

 

„Es ist ein bisschen so, als würde man eine Oper im Urwald veranstalten“, zitierte einst ein Geschäftsführer des Donaufestivals. Das hat sich bis dato nicht verändert. Die Kremser Bevölkerung selbst kann sich mit dem innovativen Konzept nicht anfreunden und besucht nur rudimentär die Österreichhallen oder die Minoritenkirche während der beiden Festivalwochen. Zielgruppe sind vorwiegend Musik- und Kulturfreaks aus dem urbanen Wiener Milieu – es wird an jedem Festival-Tag ein Shuttle-Bus zwischen Krems und dem Wiener Karlsplatz angeboten – und internationales Publikum. Das  Programm ist trotz der Corona-Pandemie, Reisebeschränkungen und logistischer Schwierigkeiten hochkarätig.

 

Das diesjährige Festival steht unter dem Motto „In the Year of the Metal Ox“. Kurator Edlinger verweist dabei auf das chinesische Sternzeichen des Jahres 2021, den Metall-Büffel, und damit auf den Ursprung der Pandemie in Wuhan. Im Gegensatz zu den sonstigen Festival-Editions existiert kein eigenes Leitmotiv, einige Acts wurden auch aus dem abgesagten „Machines like us“-Konzept des Vorjahres übernommen. 

 

Zutritt zum Donaufestival haben voll geimpfte, genesene und PCR-getestete Besucher. Die Eintrittsvoraussetzungen wurden – inklusive Lichtbildausweis – an allen Eingängen genau kontrolliert.

Eines der Highlights des Opening-Tages am 1. Oktober fand gleich um 17 Uhr in der Steiner Minoritenkirche statt. Der aus Norwegen stammende und in Berlin lebende Musiker Bendig Giske präsentierte unter mystischer Beleuchtung seine faszinierende Solo-Saxophonshow im dortigen Klangraum. „Ich kann es nicht erwarten, mich wieder in Techno zu verlieren, im Dunkeln unter Fremden und Freunden“, so kürzlich in einem Interview der in der queeren Berliner Clubkultur verankerte Vollblutmusiker. „Cracks“ heißt sein brandneues, zweites Album, der Track „Cruising“ wurde von der amerikanischen Elektronik-Musikerin Laurel Halo geremixt, die auch bereits beim Donaufestival begeisterte. Bei seinen charismatischen Auftritten bringt Giske zusätzlich Mikrofone an seinem ganzen Körper an, um mit seinem Instrument in eine spezielle Symbiose zu geraten.

 

London Calling in den Österreichhallen. Dort sorgte die aus East London stammende Musikerin Nuha Ruby Ra für einen lauten, temporeichen Einstand. „How to move“ heißt ihre nach einer Depression entstandene erste EP, der Sound entspricht eher dem Gegenteil: Rap, Hip Hop, Avantgarde-Punk. Eine Little Simz der Zukunft.

 

Leisere Töne dagegen in der Halle 2: Die amerikanische in Stockholm lebende Komponistin Kali Malone ist eine Koryphäe der Drone-Musik. Darunter versteht man ein Klang-Spektrum mit langsamen Rhythmen und lang anhaltenden, tiefen Tönen. „Does Spring Hide its Joy“ nennt sich ihr mehr als 6 Stunden dauerndes neuestes Werk, das sie – in einer einstündigen Version – gemeinsam mit Cellistin Lucy Railton und dem Gitarristen Stephen O´Malley in der Halle 2 vorstellte. Trance-artige Vibrationen im Zeitlupentempo, bei denen viele Besucher sitzend ein vollkommen neues Chill-Out-Gefühl kennenlernten.

Den Kontrast dazu lieferte danach der aus Angola stammende DJ und Produzent Nazar, der seinen Sound selbst als „Rough Kuduro“ bezeichnet: Temporeiche Klub-Musik zum Tanzen, gemischt mit düsteren Bässen und Gewehrgeräuschen (!), die auf seine Familiengeschichte und den Bürgerkrieg seiner Heimat hinweisen. „Guerilla“ heißt sein Debüt-Album, die Stimmung auf dem Dancefloor war aufgeheizt und ekstatisch.

 

Noch ein paar Dezibel höher schnellten die Beats beim finalen Act des ersten Festivaltages. Das kenianische Duo DUMA (Martin Khanja aka Lord Spike Heart und Sam Karugu) mixte harte Techno- und Tribal-Beats mit aggressiven Black Metal-Geräuschen, teils vermummt und versteckt hinter grellen Light Effects. „Bei aller scheinbar abweisenden Härte ihrer Musik sind sie offen und rezeptiv, und ihr Kosmopolitismus des musikalischen Chaos spiegelt die chaotische Globalisierung, in der wir leben“, liest man im Programmtext. Sic est. Am Ende des Auftritts lächelt den Besuchern ein sympathischer junger Sänger entgegen, dem man auch einen lässig-chilligen Reggaeklassiker abnehmen würde. Ohne Achselzucken…