Ein Drittel der befragten Frauen und Mädchen wurde gemäß einer Wiener Studie (2018) mindestens einmal innerhalb eines Jahres mit Gewalt im Netz konfrontiert, darunter Beschimpfungen aufgrund der politischen Weltanschauung, Cyber-Mobbing oder sexuell anzügliche Mitteilungen. Laut dem ZARA-Rassismus-Report 2020 verdoppelten sich die Meldungen im Internet im Vergleich zu 2019, auch bedingt durch die Corona-Krise und durch das stärkere Bewusstsein aufgrund der Black Lives-Matter-Demonstrationen. Gemeldet wurden insgesamt 2148 Fälle von Online-Rassismus, rund ein Viertel davon strafrechtlich sanktionierbar (in Form von Verhetzung, Beleidigung oder Verstößen gegen das Verbotsgesetz).
Verhetzung
Eine der ZARA-Forderungen wurde in das seit 1. Jänner 2021 geltende „Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz“ aufgenommen, und zwar die Ausweitung des Verhetzungsparagraphen. Strafbar ist gemäß § 283/1 Z 2 StGB jetzt nicht mehr nur die Beschimpfung von Gruppen, sondern auch jene von Einzelpersonen wegen der Zugehörigkeit zu einer (bsp. nach der Hautfarbe, der Religion, der ethnischen Herkunft, der Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung) definierten Gruppe. Es soll laut den Gesetzesbeilagen „klargestellt werden, dass die Menschenwürde grundsätzlich nicht einer Gruppe von Menschen als solcher, sondern den Mitgliedern der Gruppe zukommt“.
Cyber-Mobbing
Verschärft wurde auch der Cyber-Mobbing-Paragraph des § 107c StGB. Eine strafrechtlich relevante, unzumutbare Beeinträchtigung einer Person liegt jetzt bereits bei einer einmaligen Begehung vor. Allerdings muss die strafbare Handlung eine längere Zeit wahrnehmbar sein. Musterbeispiel: Die Veröffentlichung eines Nacktfotos, das längere Zeit online ist.
Upskirting
Der § 120 a StGB pönalisiert ab sofort das sogenannte „Upskirting“, also Bildaufnahmen der Schamgegend, des Gesäßes oder der weiblichen Brust, die ohne Einwilligung der fotografierten Person erstellt wurden. Werden derartige Aufnahmen einem Dritten zugänglich gemacht oder veröffentlicht, dann liegt der Qualifikationstatbestand des Absatz 2 vor, der mit einer Freiheitsstrafe mit bis zu zwölf Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen bedroht ist.
Ausforschungsrecht
Privatanklagedelikte sind nur auf Verlangen des Opfers zu verfolgen, das in der Regel selbst den Täter ermitteln muss. Im
§ 71 der Strafprozessordnung wurde bei bestimmten Delikten (§ 111, 113, 115 StGB) ein Ausforschungsanspruch des Opfers normiert, der beim Landesgericht eingebracht werden kann. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch juristische und psychosoziale Prozessbegleitung beantragt werden (§ 66 StPO).
Mandatsverfahren
Neu eingeführt wird durch den § 549 ZPO ein Mandatsverfahren, im Rahmen dessen Betroffene bei einer erheblichen Verletzung von Persönlichkeitsrechten einen gerichtlichen Antrag auf einen Unterlassungsauftrag stellen können.
Der Klage ist ein Nachweis aus dem elektronischen Kommunikationsnetz anzuschließen, der die rechtsverletzenden Inhalte darstellt. Gedacht ist dabei an Screenshots oder Links zu den Postings, Bildern und Videos, inklusive Datum und Uhrzeit. Der Unterlassungsanspruch beinhaltet gleichzeitig auch den Auftrag zur Beseitigung der verletzenden Inhalte.
In besonders schweren Fällen können die Betroffenen einen Antrag auf eine vorläufige Vollstreckbarkeit des Unterlassungsauftrages (im Sinne einer sofortigen Löschung der Inhalte) stellen. Inkludiert sind dabei sowohl obszöne Beschimpfungen, die Verbreitung von Ton- oder Bildaufnahmen intimer Persönlichkeitsbereiche als auch eine Herabwürdigung der beruflichen Qualifikation oder des Charakters und geschlechterbezogene, ethnische, religiöse oder politische Schmähungen.
Das Mandatsverfahren ist gebührenrechtlich mit einem fixen Streitwert von 750 Euro begünstigt. Dies entspricht einer Gerichtsgebühr von 107 Euro in 1., 144 Euro in 2. Instanz und 214 Euro für die Anrufung des OGH.
Für die Klage und den Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrages wurde seitens des Justizministeriums ein eigenes Formblatt konzipiert, mittels dessen Betroffene auf einfache Art und Weise ihre Rechte geltend machen können.
Die EU-Grundrechteagentur FRA hat kürzlich in ihrem jährlich erscheinenden Grundrechtebericht 2021 das Gesetzespaket gegen Hass im Netz gelobt.
Rechtliche Alternativen
Tatsächlich haben Betroffene jetzt zahlreiche rechtliche Möglichkeiten, sich gegen Hassposter zu wehren. Als ersten Schritt sollte man sich direkt an die Internet-Plattformen (Facebook, Twitter, Instagram,…) wenden. Diese sind verpflichtet, ein Meldesystem zu führen und Beiträge bei offensichtlichen Rechtswidrigkeiten binnen 24 Stunden zu löschen. Bei einer notwendigen genaueren Prüfung haben die sozialen Medien 7 Tage Zeit.
Unabhängig davon können die Betroffenen bei strafrechtlich relevanten Inhalten direkt die Polizei konsultieren bzw. zivilrechtlich eine (kostengünstige) Klage und einen Unterlassungsauftrag gegen den Täter einleiten. Außerdem kann medienrechtlich eine Entschädigung vom Medieninhaber (vom Inhaber des FB- oder Instagramprofils) gefordert werden.
https://justizonline.gv.at/jop/web/formulare/kategorie/17/79