Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert Erweiterung des Diskriminierungsschutzes

Ein schwules Paar wurde vom Kellner in einem Lokal als „schwule Sau“ beschimpft. Ein Vermieter lehnte einen vorgeschlagenen Nachmieter explizit ab, weil er „einen Moslem nicht in der Wohnung haben will“. Das sind nur zwei von insgesamt 196 Fällen der Gleichbehandlungsanwaltschaft, bei denen diese aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen nicht tätig werden konnte. Österreich gehört im EU-Vergleich zu den Schlusslichtern im Diskriminierungsschutz. Wie Equinet (das European Network of Equality Bodies) in einer Grafik zeigt, garantieren fast alle Staaten Europas (ausgenommen u.a. Spanien und Griechenland) auch einen Schutz außerhalb der Arbeitswelt.

 

Im Parlament wurde zuletzt der Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft von 2018 und 2019 präsentiert. 4017 Fälle hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft in diesem Zeitraum behandelt, zwei Drittel der Anfragen wurden von Frauen eingebracht. 78 Prozent der Fälle betrafen Diskriminierungsfälle in der Arbeitswelt. 

 

Hauptdiskriminierungsgrund war das Geschlecht (52 %). 468mal wurde sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gemeldet. Beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen bezogen sich die Anfragen vor allem auf das „Gender Pricing“, beispielsweise bei Friseurdienstleistungen.

 

Zweithäufigster Diskriminierungsgrund war die ethnische Zugehörigkeit, davon 60 % in der Arbeitswelt und 30 % beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Vor allem im Bereich des Wohnraums traten gehäuft rassistische Vorfälle gegen Nachbarn und Wohnungswerber auf. 

 

Bei drei Viertel der Anfragen im Bereich der Religion stand die muslimische Religionszugehörigkeit im Mittelpunkt. Vor allem Frauen mussten sich u.a. im Bewerbungsprozess immer wieder mit demütigender Kopftuch-Kritik seitens der Arbeitgeber auseinandersetzen. Als zukünftiges Bedrohungspotential kristallieren sich aktuell der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Algorithmen in der Arbeitswelt heraus. Die Corona-Krise wiederum verstärkt die Diskriminierung gegen Ärmere und den Rassimus gegenüber „asiatisch wahrgenommene“ Menschen.

 

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Betroffene in den kostenlosen Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission vertritt, fordert in ihrem Jahresbericht endlich eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes, das oben bereits erwähnte „Levelling Up“, das in fast allen europäischen Rechtsordnungen bereits verwirklicht wurde. Derzeit gibt es in Österreich in den Bereichen sexuelle Orientierung, Religion, Weltanschauung und Alter keinen Diskriminierungsschutz beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Homosexuelle können daher beispielsweise ohne Konsequenzen aus einem Kaffeehaus verwiesen, potentielle Kunden oder Mieter wegen ihrer Religionszugehörigkeit abgelehnt werden.

 

Geschützt ist außerhalb der Arbeitswelt neben dem Geschlecht nur die ethnische Zugehörigkeit. Grundlage ist die Antirassismus-Richtlinie aus dem Jahr 2000, die weitergehende „horizontale Anti-Diskriminierungsrichtlinie“ liegt seit 2008 „auf Eis“, steht allerdings bei der neuen EU-Kommission auf der Vorhabensliste.

 

Dass die türkis-grüne Bundesregierung das Gleichbehandlungsgesetz „freiwillig“ erweitert, kann ausgeschlossen werden. Die Grünen haben sich zwar bei zahlreichen Parlamentsdebatten, Diskussionsrunden und Veranstaltungen für ein Levelling Up ausgesprochen, können sich in dieser für ihre politische Zukunft desaströsen Koalition mit ihren Forderungen kaum durchsetzen. Die rechtskonservative Kurz-ÖVP hat bereits in der Koalition mit der SPÖ eine Verschärfung des Diskriminierungsschutzes verhindert. Ein politisches Trauerspiel…