Distance statt Romance: How to contact im eisigen Corona-Winter…

„Dreh di ned um, oh oh oh, der Kommissar geht um, oh oh oh“ – So rappte Pop-Ikone Falco einst durch die Undergroundclubs der Großstadtmetropole Wien. Diese Zeiten sind vorübergehend ausgeträumt. Die Polizisten fahnden heute nicht nach Schneemännern, Kleinganoven und High Life-Party People, sondern nach Ausgangssündern. Österreich ist wieder im ultimativen Lockdown: Einzelhandel geschlossen, rigorose Veranstaltungs-, Sport- und Kulturverbote, Gastro und Nightlife gekillt und eine 24stündige Ausgangsbeschränkung – sozusagen Lockdown around the Clock – mit ähnlich strangen Ausnahmen wie im März 2020. Zumindest Lachen darf man noch ungestraft.

 

Gemäß der neuen Covid-19-Notmaßnahmenverordnung ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb diesen nur zu 9 bestimmten Zwecken zulässig. Rudi & Co. haben also von 4 auf 9 aufmagaziniert, vermutlich, weil der „systemrelevante“ Waffenhandel – im Gegensatz zu Buch- oder Musikgeschäften – geöffnet hat. Darunter fallen neben den üblichen Gründen wie „Gefahrenabwehr“, „Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen“ oder „berufliche Zwecke“ auch wiede jene, die, garniert mit rechtlich bedeutungslosen Floskeln des Bundeskanzlers („Treffen Sie niemanden. Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel!“), nicht nur Juristen zu schlaflosen Nächten verhelfen, sondern auch Bevölkerung, Polizei und Gerichte in Interpretationsnotstand versetzen. Deja Vu Covid!

 

Der Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung ist gemäß § 1 Absatz 1 Ziffer 5 der Notfallmaßnahmenverordnung jederzeit möglich. Was soviel heißt, dass es eigentlich gar keine Ausgangsbeschränkungen gibt. Auch um 23 Uhr nachts reicht für die Glaubhaftmachung vor der Polizei das lapidare Wort „Erholung“, und zwar unabhängig davon, ob man zur Beruhigung ein 16er-Blech in der Hand hält oder nicht. 

 

Die Kontaktaufnahme mit anderen wird unter dem Sammelbegriff „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“ erfasst. Kontakt ist insoferne zulässig mit „nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartnern“, „einzelnen engsten Angehörigen“ (das sind laut den Materialien Eltern, Kinder und Geschwister) und „einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich Kontakt gepflegt wird“. 

 

Wenn Sie alleine leben, dann definieren Sie eine Person, mit der Sie während des Lockdowns in persönlichem Kontakt bleiben“, das verlautbarte Bundeskanzler Kurz bei einer TV-Pressekonferenz vor einem Millionenpublikum. Diese dramatisch-dystopische Formulierung findet aber keinen Widerhall in der Verordnung. Niemand muss eine einzige Person als Freund definieren, es gibt kein „Freundschaftsregister“. Und wer tatsächlich zu den Bezugspersonen einer Person zählt, das unterliegt juristisch einer Einzelfallbeurteilung.

 

Das Gesundheitsministerium interpretiert die Kontaktbestimmung dahingehend, dass eine Einzelperson einen Haushalt (mit mehreren Personen) besuchen darf, umgekehrt allerdings nicht. Für die über 30 Prozent Singles würde das bedeuten, dass sie während des Lockdowns nur von einer Person gleichzeitig besucht werden dürfen. Verfassungsrechtler Mayer relativiert und meint im „Standard“, „niemand könne etwas dafür, wenn in dem Haushalt, den man gerade besucht, auch gerade noch andere zu Besuch seien“. Der Gesetzestext lasse überdies einen Besuch mehrerer Personen auch gleichzeitig zu, wenn diese die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen. 

 

Die Kontaktregelungen gelten übrigens auch für den öffentlichen Raum. Das heißt, auch dort ist eigentlich nur ein Treffpunkt mit engsten Angehörigen und wichtigen Bezugspersonen möglich. Zusätzlich muss noch ein Sicherheitsabstand von einem Meter eingehalten werden. Erste Dates im eisigen Winter, küssend auf der Parkbank, oder in der heißen Stube sind laut der Notmaßnahmenverordnung nicht erlaubt. Im Widerstand gegen die staatliche Autorität aus Liebe alle Regeln zu brechen hat aber auch was Prickelndes…

 

Spaß beiseite: Rechtsanwälte und Verfassungsjuristen kritisieren die mangelnde Bestimmtheit der aktuellen Corona-Maßnahmen. Laut Universitätsprofessor Funk müssen „die Regelungen umso eindeutiger sein, je strikter und strenger in die persönliche Freiheit eingegriffen wird. Das werde hier in eklatanter Art und Weise verletzt.“ Die Polizei habe kaum Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit des Verhaltens zu überprüfen, die Verwaltungsgerichte detto. . 

 

Die Strafen halten sich bis dato aber in Grenzen. Die Polizei dürfte dazugelernt haben. Vielleicht die Bevölkerung auch: Abstand halten, Maske in geschlossenen Räumen, soziale Kontakte reduzieren, ohne Zwang, das ist das Credo, und nicht eine 11 Seiten lange Placebo-Notverordnung ohne Not.