"Von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden": "Good Life" in der Kunsthalle Wien!

Eröffnet wurde die Gruppenausstellung "... von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden" in der Kunsthalle Wien bereits am 8. März. Wenige Tage später wurde das Museum allerdings wegen der Corona-Krise vorübergehend geschlossen. Jetzt wurden aufgrund der Lockerungsmaßnahmen die Pforten im Areal des Museumsquartiers wieder geöffnet.

 

Der Titel der Exhibition basiert auf den Gedanken des libanesischen Schriftstellers Bilal Khbeiz, der zu Beginn der 2000er-Jahre mit diesen fünf Worten jene Grundbedürfnisse auf den Punkt brachte, die für die Menschen ein "gutes Leben" darstellten. Im Gegensatz zu früher seien diese jetzt aber auch für Bewohner von Orten gefährdet, an denen sie früher selbstverständlich waren. Die Werte haben laut den Kuratoren (WHW) sogar mittlerweile einen "üblen Beigeschmack". Die Gründe reichen vom Klimawandel, der global ungerechten Verteilung von Nahrungsmitteln, dem Luxuskonsum bis hin zum Überwachungsstaat und populistischen Strömungen. 

 

Die amerikanische Autorin Laurent Berlant bezeichnet in ihrem Buch "Cruel Optimism" die Vorstellung des guten Lebens als eine Fantasie, als eine hartnäckige und grausame Anhänglichkeit an eine Welt, die es nicht mehr gibt. Die Künstler der Ausstellung versuchen mit ihren Werken das Gegenteil zu beweisen und eröffnen mit ihren Kreationen Reflexionen auf die Vergangenheit und Perspektiven für die Zukunft. In Form von Malereien, Installationen, Videos, Gedichten, Skulpturen, Basteleien, Zeitungsschnipseln, Wandvorhängen, Cartoons oder einfach nur Zitaten. 

 

So präsentiert die Londoner Künstlerin Sonia Boyce ihr "Dada Migrant Wallpaper", das im Rahmen eines Improvisationsworkshops in Nizza erstellt wurde. Die Wienerin Melanie Ebenhoch thematisiert die Repräsentation von Frauen in der Kunst, indem sie im Hintergrund eines ihrer Plakate mit der Aufschrift "I mean I use my brains so much that at night they don´t seem to do anything else but rest" nackte weibliche Oberschenkel abbildet.  Vlatka Horvat platziert auf einem dünnen Holzbalken, der fragil zwischen zwei Stühlen angebracht ist, verschiedene Alltagsobjekte von Bällen, Obst, Nägel, Klopapier, Fäden bis hin zu einer Discokugel. "Balance Beam" nennt sich die Installation und soll das prekäre System widerspiegeln, in dem wir leben. Die aus Ankara stammende Künstlerin Gülsün Karamustafa deutet mit ihrem in den 80ern entstandenen Wandteppich "Motorcycle" den fließenden Übergang zwischen Tradition und Moderne in ihrem Heimatland an.

 

Eines der Glanzstücke der Ausstellung ist das überdimensionale Comic-Wandbild "Under Water" der Russin Victoria Lomasko. Während die Stadtkulisse (vermutlich von Moskau) nur rudimentär aus dem Wasser ragt, findet das echte, prickelnde Leben abseits folkloristischer Klischees im Untergrund statt. "Immer wenn ich nach Russland zurückkehre, fühle ich, wie ich langsam zurück zu Boden sinke. wie ein Wesen, das an Land kroch, aber ursprünglich für ein Leben im Wasser geboren war", so die Künstlerin.

 

"Jetzt! Solidarität! Diversität!" - Das ist einer der aktivistischen Slogans auf dem Protest-Wagen der Berlinerin Marina Naprushkina, die sich vor allem im Arbeiterbezirk Moabit für sozial benachteiligte Menschen und Migranten einsetzt. Unmittelbar daneben sticht eine Installation der Künstlerin HC Playner (der Name ist natürlich kein Pseudonym :-) über die Burschenschaft Hysteria ins Auge, Hyänen, Akademiker-Ball-Assoziationen, Stefanie Sargnagel und "Gegen Nazis"-Sprüche natürlich inbegriffen.

 

Eine Video-Serie des Wieners Oliver Ressler unter dem schnittigen Titel "Everything´s coming together while everything´s falling apart" befasst sich mit dem Versagen internationaler Klimapolitik. So seien die "Technologien zur Überwindung des fossilen Zeitalters bereits vollständig vorhanden, die Behörden allerdings verweigern deren Anwendung, um der Wirtschaft nicht zu schaden". Beeindruckend ist auch die "Heads"-Installation des Berliner Künstlers Andreas Siekmann, der die Väter und Mütter des Kapitalismus und Neoliberalismus als Plastillin-Figuren modelliert und daraus ein mehrdimensionales Netzwerk konstruiert hat.

 

Es gibt bei "Von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden" vieles zu entdecken, reflektieren, sinnieren, vielleicht auch zu visionieren. Ein 155 Seiten dickes Programm-Heft bietet zusätzliche Information. Manchmal erzeugt aber auch die individuelle Interpretation eines Kunstwerkes jenes Brainstorming, das man für neue Inspirationen braucht. Spontane Eindrücke über die Ausstellung in der Kunsthalle Wien können dort unmittelbar per "Flaschenpost" übermittelt werden...

 

Noch zu sehen bis 4. Oktober 2020