"Into the Night": Avantgardistische Clubkultur von 1880 bis 1970 im Unteren Belvedere!

Das Nacht- und Kulturleben ist durch die Corona-Krise derzeit weltweit lahmgelegt, was nicht nur die Akteure, sondern auch die Konsumenten emotional beeinträchtigt. Online Streams im Internet oder in den sozialen Medien sollen die traurig-düstere „time between“ überbrücken, eine echte Alternative sind sie allerdings nicht. Wie im Zeitraum zwischen 1880 und den 1960er Jahren Clubkultur und Cafe-Avantgarde zelebriert wurde, das zeigt die spannende Ausstellung „Into the Night“ im Unteren Belvedere und in der Orangerie, die noch bis 1. Juni zu sehen ist.

 

Im Mittelpunkt der mit dem Londoner Barbican organisierten Ausstellung stehen 11 Clubs, Kabaretts und Cafes aus 11 Metropolen und Arealen, die zu unterschiedlichen Zeiten eine gewisse Avantgarde-Kultur verströmt haben. Dargestellt wird dies unchronologisch durch Bilder, Entwürfe, Karikaturen, Skulpturen und Original-Rekonstruktionen. Wien ist vertreten mit dem legendären Kabarett Fledermaus in der Johannesgasse, das zwischen 1907 und 1911 mit Tanz-, Theater- und Diskussionsabenden die Szene belebte. Der Barbereich mit seinen Mosaikfliesen wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts der Universität für angewandte Kunst nachgebaut.

 

Das im Künstlerviertel Montmartre gelegene Pariser Chat Noir – mit seiner schwarzen Katze als Trademark auf zahlreichen Plakaten – beeindruckt mit seinem Schattentheater aus den 1880-Jahren, das als Vorläufer der Kinokultur galt. Die Weimarer Republik war geprägt durch Armut, Arbeitslosigkeit und politischen Extremismus, es wurde aber auch laut und exzessiv bis in den Morgengrauen gefeiert. Vor allem die Frauen, die 1919 erstmals wählen durften, zogen mit schickem Kurzhaarschnitt durch die sündigen Clubs und Bars von „Babylon Berlin“. Natürlich frönten auch die Italiener dem nächtlichen Dolce Vita und waren gleichzeitig auch Vorreiter für coole Designerclubs wie dem Bal Tik Tak oder dem Fortunato Depero´s Cabaret del Diavolo in Rom.

 

„Into the Night“ beschränkt sich nicht nur auf die europäische Clubkultur, sondern besucht auch die verraucht-jazzigen Clubs im New Yorker Harlemsviertel. Im legendären „Cotton Club“ wurden nur Weiße eingelassen, während Schwarze (wie Louis Armstrong oder Ella Fitzgerald) für die Unterhaltung sorgten. Ein Schmelztiegel für Anti-Rassismus-Bewegungen, bei der auch die Protagonisten der Nacht ihre Zepter schwangen.

 

Im Unteren Belvedere zu sehen sind Bilder, Wandbemalungen und Fassadengestaltungen aus dem Mbari Mbayo Club in Nigeria, für dessen Straßenfront die österreichische Künstlerin Susanne Wenger einen Fries aus Silhouetten von Menschen und Tieren konzipierte. Im Spannungsfeld zwischen Traditionalismus und zeitgenössischen Strömungen stand der Teheraner Club Rasht 29, eigentlich ein privates Atelier, das als iranisches Epizentrum für Kreative Ende der 60er galt.

 

„Kunst zu den Massen zu bringen“, das war das Motto der Estridentismus-Bewegung während der mexikanischen Revolution in den 1920ern. Dieser Maxime kann man sich hundert Jahre später nur anschließen.