"Encore"-40er-Jubiläumstour gegen Rechts: The Specials live im Brüsseler Ancienne Belgique

Es war Ende der 70er in einer ähnlich eskalierenden Zeit wie jetzt: Massenarbeitslosigkeit, Rassenunruhen, Reduzierung der Arbeitnehmerrechte, Entmachtung der Gewerkschaften, Thatcher-Neoliberalismus. Musikalisch ein Melting Pot aus Punk, New Wave und Ska. Eine siebenköpfige Band aus Coventry rund um Mastermind Terry Hall kristallisierte sich zwischen 1977 und 1981 zu den linksgerichteten Sprachrohren einer verzweifelten und aggressiven Vorstadtjugend: The Specials. 

 

Zwei erfolgreiche Alben, "The Specials" und "More Specials", stürmten die Charts, ein Nr. 1-Hit namens "Ghost Town" (mit desillusionierenden Zeilen wie "Government leaving the youth on the shelf" oder "no job to be found in this country can´t go on more") und zahlreiche weitere Top Ten-Hits wie "Too much too young", "Rat Race" oder das sogar später in der TV-Mainstream-Werbung verwendete  "A Message to you Rudy". 40 Jahre später sind The Specials zu dritt wieder on Tour, mit einem taufrischen Nr. 1 Album "Encore" und weiterhin als Kämpfer gegen das Establishment. 

 

"Vote", "Think", "Sell for hope", Peace- und Anti-AKW-Symbole oder "Right Wrong" liest man auf den Transparenten und Bannern, die auf der Bühne im legendären Ancienne Belgique installiert wurden. Die im historischen Stadtteil von Brüssel gelegene Konzerthalle, direkt am derzeit sanierten Boulevard Anspach (der zu einer Fußgängerzone transformiert wird), ist seit Jahrzehnten kultige Auftrittslocation für Stars, Newcomer und Geheimtips aus der Indie-, Pop,- Rock- und Alternativeszene (was man im Aula-Bereich auf einigen Tafeln ablesen kann). Die "neuen" Specials haben die ca. 2000 Personen fassende Arena randvoll ausverkauft.

 

Frontman ist wie Ende der 70er der lässige Terry Hall, mit von der Partie sind von der Originalgroup weiters Lynval Golding und Horace Panter, sein Spitzname galant "Sir Horace Gentleman". Nach einem wave-punkigen DJ-Set stehen die alten Herren mit der Power von einst über 2 Stunden auf der Bühne, auf der Setlist 25 Tracks, davon 8 aus dem neuen Album "Encore", gleichzeitig Trademark der monatelangen Europa-Tour. "Black Skin Blue Eyed Boys" wurde von Eddy Grants Equals gecovert, beim verteilungskritischen "The Lunatics" bediente man sich bei Halls Nachfolge-Band Fun Boy 3 selbst. "Vote for me", eines der Highlights der neuen CD, thematisiert die Verlogenheit der Politiker ("You're all so drunk on money and power, Inside your Ivory tower, Teaching us not to be smart, making laws that serve to protect you").

 

Für die Feminismus-Hymne "Ten Commandments" holen sich die Specials die couragierte Frauenrechts-Aktivistin Saffiyah Khan, die sich bei einer Gegen-Demo gegen die rassistische English Defence League für eine eingekreiste Frau mit Hijab eingesetzt hat. Damals gekleidet mit einem Specials-T-Shirts und viral gehypt. Sie gilt seither als ein Symbol gegen den Rechtsruck in UK und rappt mit Zeilen wie "Thou shall not tell a girl she deserved it Because her skirt was too short" oder " They tell me I'm unhappy because I'm not feminine, failing to consider that I may be unhappy" für Gleichstellung, Gleichberechtigung und Selbstbewusstsein der Frau.

 

Außer Rand und Band geraten die teils auch in der Ära der Specials erwachsen gewordenen Besucher im Ancienne Belgique bei den Superhits und bei den schnell und authentisch gespielten Ska-Brettern der Band. Der Hauptblock endet mit dem straighten Nr. 1-Hit "Too much too young", im ersten Zugabenblock erklingt in der wie ein historisches Theater angelegten Konzerthalle das gespenstische "Ghost Town" in einer Extended Version. Im Zugabenblock Nr. 2 die neue gesellschaftskritische Hymne "Sell for Hope", die auch auf zahllosen T-Shirts abgedruckt ist, und das das Finale einläutende "You´re wondering now". Die Zeile "Now you know this is the End" singen die Fans noch lange weiter, als die Band schon längst die Bühne verlassen hat.

 

Das Konzert ist zu Ende, die politischen Messages der Band haben in Zeiten von Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Nationalismus und Fremdenhass mehr Brisanz denn je. "White is black, black is white. Right is wrong, WRONG IS RIGHT!" "Looked all around the world Could be a beautiful place to live in", singt Terry Hall. Richtig, die Welt könnte ein wunderschöner Platz zum Leben sein. Sie ist es leider nicht...

 

https://www.setlist.fm/setlist/the-specials/2019/ancienne-belgique-brussels-belgium-6b93820a.html