EU-Parlament Brüssel: Zu Gast im Paul Henri Spaak-Gebäude!

751 Abgeordnete umfasst aktuell das Europäische Parlament, jenes EU-Organ, das seit 1979 direkt von den EU-Bürgern gewählt wird. Seit Jahren umstritten und immer wieder Thema politischer Diskussionen ist der Standort, der derzeit dreigeteilt ist. Die Verwaltung residiert in Luxemburg, eine Woche lang pendeln die Abgeordneten zu den Plenarsitzungen ins französische Straßburg, die Kosten nicht unerheblich, man schätzt bis zu 200 Millionen Euro im Jahr. Die restlichen 3 Wochen verbringen die Abgeordneten in Brüssel, wo weitere Plenarsitzungen und die Ausschusssitzungen stattfinden.

 

Benannt wurde das 1993 fertiggestellte Brüsseler Hauptgebäude nach Paul Henri Spaak, einem der Gründerväter der EU. Der belgische Politiker war nicht nur Präsident der Vorläuferorganisation EGKS, sondern als Ausschussvorsitzender auch federführend an der Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Marktes, die zur Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 1957 führte. Das Gebäude mit seiner 72 Meter hohen Glaskuppel selbst hat im Gegensatz zu Spaak architektonisch nicht den besten Ruf. Der Spitzname klingt wenig schmeichelhaft "Caprice des Dieux", eine Form des französischen Weichkäses. Das schlechte Image hat allerdings auch damit zu tun, dass die Stadtplaner des mitten im historischen Quartier Leopold liegenden EU-Viertels einige Jugendstil-Schmuckstücke zugunsten seelenloser Betonbauten geopfert haben.

 

Das Europäische Parlament in der Rue Wirtz 60 kann man - abgesehen von einem Lichtbildausweis - ganzjährig ohne besondere Formalitäten visitieren. Besuchszeiten sind von Montag bis Donnerstag, 9 bis 16 Uhr, und Freitags 9 bis 12 Uhr. Nach dem Sicherheitscheck erhält man treppenaufwärts einen Multimedia-Guide, mit dem man sich selbstständig durch die öffentlichen Bereiche bewegen kann. Per Aufzug gelangt man in den 5. Stock, wo man auf der Besuchertribüne nicht nur einen Blick in den riesigen Plenarsaal werfen, sondern auch Teile der Kunstsammlung des Europäischen Parlaments betrachten kann. Vor dem Eingang in den Plenarsaal imponiert eine 36 Meter hohe Stahl-Skulptur des renommierten belgischen Künstlers Olivier Strebelle. Ihr Name "Confluences", zu deutsch "Zusammenfluss", was man sich auch von der EU erwartet. Desto intensiver, desto besser, europäische Identität statt regionaler Nationalismus.

 

Die Kompetenzen des Europäischen Parlaments wurden innerhalb der letzten Jahrzehnte immer wieder erweitert. Ein unmittelbares Initiativrecht haben die Abgeordneten aber bis heute nicht. Die Vorschläge kommen von der Kommission, die dann im Rahmen des "Mitentscheidungsverfahrens" vom Parlament und vom Rat angenommen werden müssen. Das Parlament kann allerdings bei der Prüfung des Jahresarbeitsprogramms der Kommission Anstöße zu neuen Rechtsvorschriften geben und die Vorlage entsprechender Vorschläge verlangen. Eine Erweiterung der Gesetzgebungskompetenzen des demokratisch legitimierten Gremiums ist allerdings unabdingbar.

 

Diskutiert wird seit längerer Zeit über einen Neubau bzw. eine Sanierung des Spaak-Gebäudes, bei dem bereits 2012 Sicherheitsmängel in den Dachbalken eruiert wurden. Eine Entscheidung darüber wird höchstwahrscheinlich in der nächsten Legislaturperiode getroffen. Dass es beim dreigeteilten Standort zu Änderungen kommt, ist eher auszuschließen. Ein derartiger Beschluss muss aufgrund der EU-Verträge einstimmig erfolgen, und da spielt Frankreich als Träger des historischen Sitzes Straßburg nicht mit...