Jahresbericht: Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert "Levelling-Up"!

Diskriminierungsfälle, Rechtsauskünfte, Informationsarbeit, Medienanfragen - Insgesamt 6130 Aktivitäten erledigte die Gleichbehandlungsanwaltschaft in den letzten beiden Jahren. Der Gleichbehandlungsbericht 2016/17, der jetzt dem Nationalrat vorgelegt wurde, führt die gehäufte Zunahme von Fällen auch auf die #metoo-Debatte und auf gesellschaftspolitische Probleme im Zusammenhang mit Flucht und Migration zurück. Zahlreiche Diskriminierungsfälle landeten auch vor der Gleichbehandlungskommission. Der Senat I beispielsweise behandelte 70 Fälle im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Anzahl der Fälle mit sexueller Belästigung betrug 32, diejenigen mit mangelnder Abhilfe bei sexueller Belästigung 19. Auch die Anzahl der Männer, die sich dem langwierigen Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission stellen, wird stetig größer.

 

Abgesehen von budgetären Einschränkungen und einem Bedarf nach höheren personellen Ressourcen (inkl. Social Media) existieren im aktuell geltenden Gleichbehandlungsrecht allerdings zahlreiche inhaltliche und verfahrenstechnische Lücken, deren Beseitigung von (rechts)konservativen Parteien seit Jahren verhindert wird.

 

Wichtigste Forderung der Gleichbehandlungsanwaltschaft ist die Angleichung des Schutzniveaus aller Diskriminierungsmerkmale, das sogenannte "Levelling-Up". So ist beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen nur eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der ethnischen Zugehörigkeit (also aufgrund der Herkunft und der Rasse) verboten, NICHT allerdings aufgrund der Religion, der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung. Letztere Merkmale sind nur in der Arbeitswelt geschützt. 

 

Dadurch können sich widersprüchliche, systemwidrige Fallkonstellationen ergeben. Ein homosexueller Kellner kann sich bei einer Kündigung aufgrund seiner sexuellen Orientierung auf das Gleichbehandlungsgesetz berufen, ein lesbisches Pärchen dagegen kann (wie einst im Wiener Cafe Prückel) ohne Sanktionen aus dem Lokal verwiesen werden. Keine Diskriminierung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes liegt auch dann vor, wenn eine Wohnung an ein homosexuelles Pärchen nicht vermietet wird oder ältere Personen in eine Diskothek nicht eingelassen werden.

 

Im allgemeinen muss die sich diskriminiert fühlende Person keinen Vollbeweis führen, sondern den Diskriminierungstatbestand glaubhaft machen. Der Beklagte wiederum muss beweisen, dass es wahrscheinlicher ist, dass ein anderes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war. Experten fordern hier gemäß den EU-Richtlinien eine Herabsetzung der Beweislast in dem Sinne, dass der Kläger nur Tatsachen (und keine weitergehende Diskriminierungsabsicht) glaubhaft machen muss, die eine Diskriminierung vermuten lassen. 

 

Andere Vorschläge der Gleichbehandlungsanwaltschaft umfassen die Einführung eines Diskriminierungsgrundes "Soziale Herkunft", eine Weiterentwicklung der Einkommensberichte, eine Angleichung der Fristen für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen (auf mindestens 3 Jahre), eine Verbesserung der Wirksamkeit der Bestimmungen zu Stellenausschreibungen und Wohnungsinseraten und eine gerichtliche Beteiligung der Gleichbehandlungsanwaltschaft in Form von erweiterten Feststellungsklagen, Prozessstandschaften oder Verbandsklagen. Derzeit kann die Gleichbehandlungsanwaltschaft von Diskriminierung Betroffene nur im Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission begleiten. Eine gerichtliche Feststellungsklage ist allerdings dann zulässig, wenn die Entscheidung der Gleichbehandlungskommission sich mit der Rechtsauffassung der Gleichbehandlungsanwaltschaft nicht deckt.

 

Zahlreiche weitere Reformvorschläge sind in den zwei Bänden des aktuellen Gleichbehandlungsberichts nachzulesen, die auf der Parlamentswebsite abgerufen werden können. Vorrangig sollte ein Levelling-Up für alle Diskriminierungsmerkmale normiert werden. Dies fordert auch der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen und ist auch state of art in den meisten EU-Mitgliedstaaten. Dieser Wunsch nach einer progressiven Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes wird allerdings bei einer "rechtskonservativen" Regierung aus ÖVP und FPÖ ungehört bleiben...