Kremser Donaufestival Week 2: Sound-Zauber zwischen Tradition und Innovation!

Was versteht man unter "E2-E4"? Keine uncharmante Frage für die Millionenshow. Im Schachsport handelt es sich um einen bekannten Eröffnungsschachzug, in der Musikszene um ein trendweisendes elektronisches Meisterwerk des ehemaligen Krautrockers Manfred Göttsching, der sich beim Titel vom Star Wars-Droiden-Ikone R2-D2 inspirieren ließ. Beim Kremser Donaufestival präsentierte der Berliner Musiker das 60minütige Werk exklusiv als Österreich-Premiere.

 

Göttsching stand dabei allein auf der Bühne der Minoritenkirche, mit Synthesizer und Gitarre. Dahinter Visuals jeglicher Art, Strandszenen, Menschen auf der Straße, bunte Kaleidoskope. "E2-E4" besteht nur aus 2 Akkorden, die stetig variiert werden. Produziert wurde es an einem einzigen Tag im Dezember 1981.

 

"Manuel, I know, you can make a fortune with that", so lautete der legendäre Spruch des Virgin Chefs Richard Branson, dessen Baby während der Vorstellung eingeschlafen war. Er hatte Recht. Das minimalistische Meisterwerk mit Trance- und Latineinflüssen wurde zwar erst 1984 auf dem Label von Tangerine Dream Mastermind Klaus Schulze veröffentlicht, erlangte aber in den nächsten Jahren Kult-Status. Im Studio 54 diente es als Opener, in der Paradise Garage spielte die DJ-Legende Larry Levan das gesamte 60 Minuten-Werk als chillig-melancholisches Finale. Ende der 80er verwendeten die italienischen Dance-Produzenten von Sueno Latino die Rhythmen für ihren gleichnamigen House-Hit. Ex-Hippie Göttsching eroberte die Ibiza-Dancefloors, zahlreiche weitere Remixes folgten. Seit 2006 tourt der 65jährige Göttsching mit seinem Werk vereinzelt durch die Welt, nach Tokio, London und in den Techno-Club Berghain, jetzt hatte auch Krems die Ehre.

 

Viele andere Acts des Donaufestivals stehen im Gegensatz zum Berliner erst am Beginn der Karriere. So zum Beispiel Jakuzi aus Istanbul, die ihrer türkischen Muttersprache die Treue gehalten haben und im Stadtsaal die Gäste mit treibend-melancholischen Synthi-Beats begeisterten. Mehr als empfehlenswert ihr Debüt-Album "Fantezi Müzik".

 

Aus Kairo stammt das Multi-Talent Nadah El Shazly, die mit ihren experimentellen Symbiosen von Elektronik-Noise und traditionellen Klängen das Publikum auf besondere Art verzaubert. "Klassische arabische Musik aus den 1920ern, 1930ern und davor ist frei von einem bestimmten Rhythmus oder einem bestimmten Tempo – und das ist etwas aus der Zukunft und nicht aus der Vergangenheit.", so Shazly. Und passt in diesem Sinne haargenau zum zeitentransformierenden Motto des Donaufestivals, "Endlose Gegenwart".

 

In den 90ern noch Minimal-Techno-Protagonisten, zeigen sich Mouse on Mars (alias Jan Stephan Werner und Andi Toma aus Düsseldorf) 2018, verstärkt durch Gastmusiker, als innovatives Ensemble, das Dancefloor-, Ambient-, Folk- und Jazzklänge in kunstvolle neue Strukturen verwandelt. Das dazugehörige neue Album nennt sich "Dimensional People".

 

Apropos Dimensionen. Die überschritt gegen Ende des Samstag-Programms der geniale britische DJ Ali Wells aka Perc: Harte Industrial Techno-Beats, die ansonsten in der Londoner Fabric und im Berliner Berghain in den Morgenstunden erschallen. Samstag Mitternacht kamen die alten Österreichhallen in den Genuss technoider Bässe. Wenigstens einmal im Jahr werden im Volksmusik-Mekka von Krems die Grenzen überschritten. Wir freuen uns auf das nächste Donaufestival 2019!