Sound- und Video-Revolution: Depeche Mode live in der ausverkauften Wiener Stadthalle!

Im Jahr 1980 wurden Depeche Mode im Vorprogramm des Synthi-Pioniers Fad Gadget vom Mute Records-Boss Daniel Miller entdeckt, 38 Jahre später, nach mehr als 100 Millionen verkauften Tonträgern, spielen sie mit fast unveränderter Besetzung (ohne Kurzzeit-Mitglied Vince Clarke, heute bei Erasure, und Ex-Soundmastermind Alan Wilder, der 1995 ausstieg) noch immer in prall gefüllten Stadien und Hallen. So auch - nach vierjähriger Abstinenz - in der Wiener Stadthalle, die seit Monaten ausverkauft war.

 

"Where´s the Revolution" fragen sich Trump- und Brexit-Gegner Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher im geistig stilprägenden Track des neuen Albums "Spirit" und bieten dazu als Support eine kongeniale Künstlerin aus South Dakota: Erika M. Anderson aka EMA. "Exile in the Outer Ring" heißt ihr neues Album, musikalisch eine Mixtur aus Electro, Industrial und Grunge. Die Themen: Rassismus, Polizeigewalt, Gentrifizierung und die Radikalisierung der Gesellschaft, Stichwort "Aryan Nation". 

 

Ein progressiver Geheimtip für die Zukunft, bei einem Depeche Mode-Konzert zählt für die Fans allerdings meist nur der Main-Act. Angekündigte Revolutionen finden selten statt, bei einem Konzert der drei Londoner, verstärkt wieder durch den österreichischen Drummer Christian Eigner, kann man allerdings fast sicher sein, dass alle Erwartungen erfüllt werden.

 

20 Tracks stehen auf der Setlist des Wien-Konzerts, davon nur drei aus dem neuen 14. Album "Spirit". Der Opener "Going Backwards", "Where´s the Revolution" und die socialmedia-kritische Ballade "Cover me", die, mit Schwarz-Weiß-Video unterlegt, für sehnsüchtiges Prickeln im Publikum sorgte. Überproportional viele Songs dagegen zu Beginn der Show aus dem von Tim Simenon (Bomb the Bass) produzierten 97er-Album "Ultra": "Barrel of a Gun", "Useless", "It´s no good" und zwei Tracks für Martin Gores traditionelle Solo-Vocal-Auftritte. Insider sprechen von einem Wunder, dass dieses Album überhaupt jemals erschienen ist. Die Band war damals heillos zerstritten, und Sänger Dave Gahan war nach einem Drogencocktail zwei Minuten klinisch tot. Mit aktuell 55 wirkt er allerdings fitter denn je, die legendären Pirouetten mit dem Mikroständer haben nichts an Impulsivität eingebüßt.

 

Die großen Superhits, von denen aufgrund der Anzahl leider immer einige fehlen ("I feel you", "People are People", "Wrong"), die sparen sich Depeche Mode für den zweiten Teil der Show auf: Die 83er-Anti-Kapitalismus-Hymne "Everything Counts", "Never let me down again", Mitte der 80er aufgenommen in den durch David Bowie berühmt-berüchtigten gewordenen Hansa Studios nahe der Berliner Mauer, "Stripped" aus dem düsteren "Black Celebration"-Album oder "Enjoy the Silence" aus dem 90er-Meisterwerk "Violator". Dave Gahan kann hier minutenlang seine Stimme schonen, die Fans singen frenetisch den Refrain, während auf den Video-Screen riesige bunte Schafe, Wildschweine und Kühe projiziert werden.

 

Als Zugaben noch "Walking in my Shoes", "A Question of Time" und als furioses Finale "Personal Jesus" so frei nach dem Motto "Reach out, touch Dave!" Die Halle tobt, die Fans sind aufgeheizt, verschwitzt, einfach glücklich. Die Band nicht minder. Und sie werden alle wiederkommen. Je früher, desto besser.