"Realitätsschock": Netzaktivist Sascha Lobo mit neuem Buch im Kreisky Forum!

"Haben Sie auch das Gefühl, die Welt sei irgendwie aus den Fugen geraten? Sie sind damit nicht allein." - Mit diesen mulmigen Phrasen beginnt das neue Buch des Autors, Journalisten, Spiegel Online-Kolumnisten und Netzaktivisten Sascha Lobo aus Berlin, "Realitätsschock". Den aggressiven Titel definiert Lobo ebenfalls am Anfang des Buches: "Plötzlich müssen wir erkennen, dass die Welt anders ist als gedacht oder erhofft." Schuld daran die Globalisierung und Digitalisierung, die einerseits "die Welt mit enormer Geschwindigkeit verändert" haben, andererseits "mit einem Schlag einen zuvor verborgenen Teil der Wirklichkeit offenbaren". 

 

Im Rahmen der Vortragsreihe "Demokratie Reloaded" präsentierte Sascha Lobo unter der Moderation von Isolde Charim sein neues Werk im Kreisky Forum, in seinem traditionellen Look mit Sakko und roter Irokesenfrisur. Insgesamt zehn Kapitel enthält das Buch Lobos, darunter Klimakrise, Migration, soziale Medien und Rechtsruck, ein elftes Kapitel - eine Abhandlung über den "Realitätsschock der Parteien", ausgehend vom Renzi-Zitat "Die traditionellen Parteien sind tot oder zumindest schwer krank" - kann per QR-Code abgerufen werden und erzeugt insofern auch auf formaler Ebene eine Wechselwirkung zwischen Offline-Welt und Online-Netz.

 

Bei seiner mit Videoprojektion unterstützten Buchpräsentation geht Lobo vor allem auf die Themen "Eurozentrismus" und "Umwelt" ein. Die westlichen Industriestaaten seien nicht mehr das Maß aller Dinge, obwohl sie dies weiterhin glauben. Als Beispiel nennt Lobo den Berliner Großflughafen BER, bei dem auf die Lichtschalter vergessen wurde, und als Kontrast dazu eine Hi-Tech-Straßenbeleuchtung im scheinbaren Entwicklungsland Ruanda. 

 

Die katastrophalen Umweltwerte und die Plastikpanik seien bereits Ende der 60er Jahre wissenschaftlich und medial debattiert worden, reagiert wurde allerdings nicht. Im Gegenteil:  Mit geschickten PR-Kampagnen habe der Kapitalismus mit Hilfe neoliberaler Politiker (wie Margaret Thatcher) eine Schuldumkehr vom Müllproduzenten zu den Konsumenten betrieben.

 

Nicht nüchterne Fakten, sondern vor allem geschickt platzierte Postings in sozialen Medien machen im 21. Jahrhundert auf Umweltverschmutzungen aufmerksam. So beispielsweise das horribles Video einer Meeresschildkröte, welcher per Operation ein festgewachsener Strohhalm aus der Nase entfernt wurde. 

 

Trump, Brexit, IS-Terror, Rechtsradikalismus, Hass im Netz, unkontrollierte Migration, Angst vor Arbeitslosigkeit durch künstliche Intelligenz, Umweltverschmutzung, Klimakrise,.... - Lobo zeigt ein pessimistisches Bild der Gegenwart und erzeugt gleichzeitig auch Hoffnung, durch die "Weisheit der Jugend" im letzten Kapitel des Buches. Die populärste Vertreterin: Greta Thunberg, die als 2003 Geborene von Stockholm aus innerhalb weniger Monate die weltweite Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" initiiert hat. Aber beileibe nicht die einzige Frau unter den juvenilen Aktivisten. Die Freiheitsbewegung in Sudan wird großteils von jungen Frauen unterstützt, in den USA macht Emma Gonzalez gegen die Waffenproduzenten mobil.

 

 

Die Jugendlichen seien bereits von Geburt auf mit den sozialen Medien aufgewachsen, nützen diese zur Persönlichkeitsbildung und zum Feedback und verwenden diese erlernten Fähigkeiten für Mobilisierungskampagnen und Massenproteste, so Lobo. Sie sollen nicht nur als Message-Aktivisten eingesetzt werden, sondern sollten - auch wenn sich deren Stimmen in den Wahlergebnissen (noch) nicht entscheidend widerspiegeln (siehe Brexit) - in die zukünftigen politischen Entscheidungen mit eingebunden werden. Denn Lösungen bietet Lobo in seinen "Realitätsschock"-Szenarien nicht an, diese müssen erst - auf der Grundlage der Erkenntnis, dass "man bisher auf einem falschen Weg war" - erarbeitet werden.

 

"Wir werden niemals aufhören, für diesen Planeten und für uns selbst, unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder und Enkel zu kämpfen", das Zitat von Greta Thunberg bei einer Rede in London 2019 sollte Ansporn für alle sein.