Hass im Netz-Gesetz: Klagsflut gegen Regierungskritiker und Whistleblower?

Journalisten, Frauen, Politiker, Migranten,... - Das Thema "Hass im Netz" betrifft so gut wie jede gesellschaftliche Schicht, seitdem sich viele Bürger in den sozialen Medien bewegen und dort als "Medieninhaber" Kommentare, Meinungen, Bilder und Videos posten, manchmal und immer öfter auch jenseits der rechtlichen Grenzen.

 

Der sogenannte "rechtsfreie Raum", wie er von Kulturminister Blümel bezeichnet wird, der existiert bereits jetzt nicht. Im Netz gelten dieselben rechtlichen Maßstäbe wie in der "analogen Welt", die Rechtsdurchsetzung mag diffiziler sein. Die schwarz-blaue Bundesregierung will durch ein "Bundesgesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz", das im September 2020 in Kraft treten soll, den Hass im Netz bekämpfen. Behauptet sie. Studiert man einige Paragraphen durch, dann hat sie wohl eher das Ziel, Kritiker und Gegner in ihrer Meinungsfreiheit zu beschränken und mundtot zu machen.

 

So sollen Diensteanbieter eines Online-Forums verpflichtet werden, von jedem Poster vorab (!) ein Registrierungsprofil zu erstellen. Dieses umfasst Vorname, Nachname und Adresse. Privatpersonen sollen also ihre Daten an soziale Netzwerke weiterleiten, ohne jeglichen Anlass. Sozusagen eine "Vorratsdatenspeicherung auf Userdaten" (wie es Medienanwältin Windhager kongenial formuliert). Diese Maßnahme der rechtskonservativen Regierung widerspricht auch jeglichen Expertenmeinungen. Ca. 80 % der "Hassposter" verwenden ihren eigenen Namen, und auch der Rest ist - mit wenigen Ausnahmen - leicht ausforschbar, da Provider bei Straftaten verpflichtet sind, die IP-Adresse herauszurücken.

 

Die besondere Gefährlichkeit des Gesetzesvorschlags wird durch den § 4 evident. So müssen Diensteanbieter Vorname, Nachname und Adresse nicht nur der Polizei, der Staatsanwaltschaft und Gerichten (bei Ermittlungen in Zusammenhang mit einem Posting) bekanntgeben, sondern auch dritten Personen (!!!).

 

Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn diese dritte Person aufgrund eines Postings eine (strafrechtliche) Privatanklage wegen übler Nachrede (§ 111/2 StGB) bzw. Beleidigung (§ 115 StGB) oder eine (zivilrechtliche!) Klage wegen "Verletzungen an der Ehre" (§ 1330 ABGB) einleiten will. Für Großkonzerne, Arbeitgeber oder politische Parteien existiert damit ein ideales Druckmittel, gegen unliebsame Poster, Betreiber regierungskritischer Facebook-Seiten und Whistleblower vorzugehen und sie de facto in ihrer Meinungsfreiheit einzuschränken. Eine Klage einleiten heißt nicht, dass die jeweilige Person verurteilt wird, aber die gegnerische Partei erhält durch diesen Paragraphen alle Informationen über den Poster und kann gegen diesen rechtliche Schritte unternehmen. 

 

Der Diensteanbieter - nicht eine Behörde - hat selbst zu entscheiden, ob er die Daten an den Kläger zu übermitteln hat. Macht er das nicht und verstößt er dabei gegen rechtliche Grundsätze, dann droht ihm laut § 7 eine Geldbuße bis zu 500.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 1.000.000 Euro. In welche Tendenz seine Entscheidung gehen wird, ist wohl unbestritten.

 

Umfasst von der Übermittlungspflicht ist auch der zivilrechtliche Tatbestand der Kreditschädigung. Hier haben finanziell potente Kläger (wie politische Parteien oder Großkonzerne) die Möglichkeit, den Streitwert bis auf über 30.000 Euro festzulegen und damit den Poster finanziell zu ruinieren. Lässt sich ein Kritiker auf einen Prozess ein (der sich bis in die 3. Instanz, bis zum OGH, erstrecken kann), dann droht diesem bei einer Niederlage Kostenersatz in Form von Gebühren- und Anwaltskosten über mehrere zehntausende Euro. 

 

Die logische Folge: Kritiker werden in den öffentlichen Foren weniger posten, es werden weniger Missstände aufgedeckt, Meinungs- und Diskussionsfreiheit werden radikal eingeschränkt. Genau das, was die ÖVP-FPÖ-Regierung beabsichtigt: Eine "Message Control" indirekt auch im freien Internet...