Pop-Metropole Stockholm (2): Avicii, Max Martin, Lady Gaga.

1998 starb Denniz Pop nach schwerer Krankheit, die Cheiron Studios wurden kurz danach geschlossen. Der Produzenten-Karriere von Max Martin tat dies aber keinen Abbruch, und das trotz einer Zeitenwende in der Musikindustrie. Die MP3-Revolution löste das CD-Business ab, viele Musikfans nutzten Tauschbörsen wie Napster und Emule für illegale Downloads. Ausgerechnet in Schweden meldete sich 2006 ein neuer Player am Musikmarkt: Die Streaming-Plattform Spotify. 19 Jahre später weist diese über 696 Millionen aktive Nutzer pro Monat auf und ist in 184 Märkten verfügbar, der Umsatz 2024 betrug 15,67 Milliarden Euro. Von diesem System dürften – abgesehen von der Promotion – allerdings nur wenige profitieren. Denn Spotify zahlt seinen Artists gerade einmal 0,3 Cent pro Stream, das sind umgerechnet 3 Euro bei 1000 Streams. 

 

Max Martin

 

Max Martin und seine von ihm produzierten Künstler haben allerdings keinen Grund, sich zu beklagen. Karl Martin Sandberg (so sein richtiger Name) ist die Hit-Fabrik für Superstars wie Pink, Katy Perry, Ellie Goulding, Avril Lavigne oder zuletzt Taylor Swift. „The Fate of Ophelia“ schaffte kürzlich auf Spotify die Marke von 100 Millionen Streams innerhalb von nur 5 Tagen, ein neuer Rekord. Max Martin selbst ist ebenfalls auf Rekordkurs: Nur mehr Paul Mc Cartney (32) hat mehr Nr. 1-Hits in den Billboard-Charts geschrieben als der schwedische Produzent (28).

 

21th Century Swedish Power

 

Die nationale Pop- und Dance-Szene Stockholms boomte auch im neuen Jahrtausend: Zara Larsson, Tove Lo, Icona Pop (die mit der späteren „Brat“-Göre Charli XCX den Mega-Hit „I love it“ landeten), Loreen (die für Schweden zweimal den Songcontest gewann) und natürlich die Swedish House Mafia, die – egal, ob in Ibiza, Miami oder Berlin – weltweit die Dancefloors füllen. Ein großes Idol Stockholms weilt allerdings nicht mehr unter uns, Tim Bergling aka Avicii. Der schwedische DJ und Produzent schaffte mit Tracks wie „Seek Bromance“ und „Levels“ den Durchbruch, kreierte mit „Folk House“ und Tracks mit „Wake me Up“ und „Hey Brother“ eine (zuerst heftig von Fans kritisierte) neue Musiksparte, geriet aber durch seinen sensationellen Erfolg in eine Spirale von Burn Out, Erschöpfung und Alkohol- und Medikamentenmissbrauch. Trotz einer Ruhepause beging er im Alter von 28 Jahren im April 2018 Suizid. Nach Bekanntmachung seines Todes flossen auf dem überfüllten Sergels Torg die Tränen seiner Fans. 

 

Avicii Experience

 

Auf Initiative der Eltern wurde nahe dieses zentralen Stockholmer Platzes ein Museum unter dem Namen „Avicii Experience“ eingerichtet, das im Februar 2022 von Prinz Carl Philipp und Prinzessin Sofia eröffnet wurde. Zu sehen gibt es dort Aviciis ehemaliges Kinderzimmer, sein Home Equipment, das spätere Tonstudio, Goldene Schallplatten und zahlreiche Videos. Wer Lust dazu hat, kann seine Hits nachsingen bzw. remixen. Besonders eindrucksvoll: Eine rasant geschnittene Video-Simulation seines „Fast paced Lifestyles“ mit Auftritten im randvollen Ushuaia Ibiza, schnellen Autofahrten zum nächsten Gig, Paparazzis, jubelnden Menschenmassen und überdimensionalen Wellen. Eine Metapher auf den psychischen Zustand des schüchternen Künstlers, der sich aus dieser Situation nicht mehr befreien konnte? 

 

„One day, you′ll leave this world behind. So live a life you will remember!“, ein Zitat aus dem Avicii-Song „The Nights“, steht im Inneren eines Fan-Schranks kurz vor dem Ausgang. Auch er hinterlässt beim Besucher Melancholie und Traurigkeit. Die Ausstellungskuratoren waren sich der emotionalen Komponente durchaus bewusst und widmeten sich ausführlich den mentalen Problemen des Künstlers. Ein Teil der Einnahmen aus dem Avicii Experience geht übrigens an die von seinen Eltern gegründeten Tim Bergling Foundation, die über psychische Erkrankungen und Suizidprävention aufklären soll.

 

Lady Gaga

 

Avicii ist in Stockholm so populär, dass im Mai 2021 die – südlich von Södermalm gelegene - 85 Meter hohe, kugelförmige Veranstaltungshalle, der „Ericsson Globe“, in Avicii Arena umbenannt wurde. Lady Gaga präsentierte dort im Oktober 2025 dreimal hintereinander ihre sensationelle „Mayhem“-Tour. Und auch der Erfolg des New Yorker Superstars hat seine Wurzeln in Schweden. Lady Gaga lernte 2007 in New Jersey Nadir Khayat aka RedOne kennen. Der marokannisch-schwedische Produzent war begeistert von ihrem Vibe und ihrer Kreativität und schrieb für sie u.a. die Superhits „Just Dance“, „Poker Face“, „Bad Romance“, „Alejandro“ und „Judas“. RedOne wurde mit drei Grammy Awards belohnt, Lady Gaga raste mit den beiden „Fame“-Alben in den Pop-Olymp. Die schwedischen Connections dürfte sie nicht vergessen haben. Lady Gagas Abschiedsworte in der Avicii Arena: „Stockholm, you´ve meant so much to me from the start of my career. I love you!“